freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Schnee. Wir haben alles im Umkreis einer halben Stunde abgesucht.«
»Aber es war niemand zu finden«, knurre Sverig.
»Jemand muss die Leichen weggeschafft haben«, bestätigte Bjorn. »Genau wie bei den Kriegern oben am Rabenpass.«
»Wer könnte das wohl gewesen sein?«, fügte Sverig hinzu. Seine Hand spielte mit dem Axtgriff, und den Blick, mit dem er Thor maß, herausfordernd zu nennen wäre eindeutig geschmeichelt gewesen.
»Wenn du ein Problem mit mir hast, Sverig, warum sagst du es dann nicht geradeheraus?«, gab Thor zurück. Etwas … zupfte an seinen Gedanken. Etwas, das ihn dazu bringen wollte, mehr zu sagen und vielleicht zu tun .
»Ich ein Problem?« Sverig spielte beinahe perfekt den Verwirrten. »Ich habe kein Problem mit dir. Mir scheint eher, du hast ein Problem, und zwar mit dir selbst. Ich meine: Wo du doch nicht einmal weißt, wer du bist.« Er lächelte, und seine Hand spielte jetzt nicht mehr mit dem Griff seiner gewaltigen Streitaxt, sondern schloss sich darum. »Oder weißt du es und willst es uns nur nicht sagen?«
Thor hatte Mühe, nicht die Hand aus der Schlinge zu nehmen und zur Faust zu ballen.
»Warum sollte ich das tun?«
»Sag du es mir.«
»Sverig, bitte«, seufzte Bjorn. Aber auch der Blick, mit dem er Thor maß, war eindeutig tadelnd. »Mir scheint, ihr beide habt ein Problem miteinander«, fuhr er fort. »Aber das ist weder notwendig noch der richtige Moment dafür.«
»Und wann wäre der richtige Moment?«, fragte Sverig. »Wenn er seinen Freunden den Weg zu uns verraten hat?«
»Das reicht.« Bjorn hatte endgültig genug. Das Lächeln verschwand dabei nicht einmal von seinem Gesicht, aber Sverig riss sein Pferd mit einer schon fast brutalen Bewegung herum und sprengte zu den anderen zurück.
»Was hat er damit gemeint?«, fragte Thor.
Bjorn seufzte. »Warum reitest du ihm nicht nach?«, fragte er. »Ihr könntet euch irgendwo verabreden und euch eine Schneeballschlacht liefern. Ich glaube, ihr könnt beide eine Abkühlung vertragen.«
»Ich hatte dir eine Frage gestellt«, sagte Thor. Bjorn seufzte noch einmal und wirkte jetzt beinahe resigniert. Aber er antwortete trotzdem nicht, sondern wandte sich nur im Sattel um und deutete auf die schneebedeckte Ebene hinaus.
»Zu einer anderen Zeit des Jahres bietet sich von hier aus ein wirklich prachtvoller Ausblick«, sagte er.
Aussicht? Alles, was Thor sah, war Weiß in allen nur denkbaren Schattierungen. Hier und da erhob sich ein weißer Umriss auf weißem Grund, der sich weigerte, seine genaue Form preiszugeben, und im Süden schien ein Schneesturm aufzuziehen, doch er war zu weit weg, um Anlass zur Sorge zu bieten.
»Ich finde es zu kalt, um die Aussicht zu genießen«, sagte Thor.
»Wohl wahr.« Bjorn sah ihn an, als hätte er ihm endlich das Stichwort gegeben, auf das er schon lange gewartet hatte. »Es ist kalt. Zu kalt. Und das ist das Problem.«
»Ich finde es auch zu kalt, um Spielchen zu spielen«, sagte Thor missmutig.
Bjorn wandte sich wieder der weißen Unendlichkeit zu. »Ich wollte, es wäre ein Spiel, mein Freund«, sagte er, wie zu sich selbst, dann lauter: »Siehst du den Wald dort hinten, Thor, und den Fluss?«
Thors Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. »Sie sind verschneit.«
»Und eingefroren«, fügte Bjorn hinzu. »Der Winter ist früh gekommen in diesem Jahr«, sagte Bjorn. »Nicht viel. Nur ein paar Tage früher als letztes Jahr … aber auch im vergangenen Jahr ist er ein paar Tage eher gekommen als im Jahr davor, und er hat auch ein wenig länger gedauert. Und im Jahr davor war es genauso und in dem davor auch.«
Thor begann allmählich zu verstehen, worauf Bjorn hinauswollte.
»Das Land stirbt, Thor«, sagte Bjorn. »Es erstarrt in ewiger Kälte, jedes Jahr ein winziges bisschen mehr. Der Winter kommt in jedem Jahr einen Tag früher, und er dauert einen Tag länger oder auch zwei, und die Dunkelheit ist ein wenig tiefer und die Kälte ein winziges bisschen grimmiger.«
»Was meinst du damit: Das Land stirbt?«, fragte Thor.
»Ganz genau das, was ich sage«, antwortete Bjorn. Er lachte bitter. »Du hast nicht wirklich geglaubt, dass sich Endre und ihre ganze Familie im ewigen Eis niedergelassen haben, um Rinder zu züchten?« Er antwortete sich selbst mit einem heftigen Kopfschütteln. »Bestimmt nicht. Ich bin hier geboren, Thor. Ich erinnere mich an dieses Land, wie es früher war. Es war …«
Er suchte einen kleinen Moment nach Worten, und Thor sah ihm an, dass er sie
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