Freibeuter der Leidenschaft
Gesellschaft. Alles, was geschah, war beinahe zu schön, um wahr zu sein.
Abgesehen von Dulcea Belford. Es verging kein Tag, an dem sie sich nicht an die Zurückweisung ihrer Mutter erinnerte, selbst wenn sie nicht daran denken wollte. Ihr Leben war beinahe perfekt. Heute würde sie ihren ersten Erfolg genießen.
Clive ergriff das Wort. „Ich denke, du solltest etwas von London sehen. Ich erinnere mich sogar, dir eine Privatführung versprochen zu haben.“
Amandas Herz schlug schneller, doch aus einem ganz anderen Grund. Er sah sie bewundernd an. „Ich habe es nicht vergessen“, murmelte sie und warf ihm einen Seitenblick zu. Sie benahm sich geradezu kokett, doch sie hatte sich noch nie hübscher gefühlt.
„Es muss vielleicht warten, bis wir aus Ashford zurück sind“, sagte er leise, während sie nach unten gingen und auf die Stimmen seiner Familie lauschten. Seine Wangen waren leicht gerötet, und er sah sie auf diese ganz besondere Weise an. Dann erst fiel ihr auf, dass die Jungen vor Lachen johlten und jemand – Ariella – schrie. Amanda verzog das Gesicht und blickte Clive fragend an.
Er runzelte die Stirn. „Alexi ist außer Kontrolle. Er, Ned und Michael werden recht schnell zum Schrecken des Hauses.“
„Sie amüsieren sich“, flüsterte sie und hoffte, er würde nicht zu streng mit ihnen sein. Aber sie würden für ihre Streiche niemals geschlagen werden. Wussten sie, wie viel Glück sie hatten? „Hast du schon entschieden, wann wir uns das Anwesen in Ashford ansehen werden?“
„Ich dachte vielleicht übermorgen“, sagte er.
Amanda konnte es kaum erwarten, und sie schenkte ihm ein atemloses Lächeln.
In der Eingangshalle blieb Clive stehen. „Wie es scheint, verstehst du dich recht gut mit meiner Schwester“, sagte er.
„Ich mag sie“, gab Amanda zu. „Sie ist nicht hochnäsig.“
Er lachte. „Das stimmt. Nun, ich bin froh darüber.“ Während sie da standen erschien Rex, der Alexi und Ned vor sich herscheuchte. Die Jungen grinsten bis über beide Ohren. „Was haben sie angestellt?“
„Sie haben eine Kröte in Ariellas Kleid gesteckt. Dafür schreiben sie ihre Lektionen noch einmal ab“, erklärte Rex entschlossen.
„Ein großartiger Plan“, sagte Clive und betrachtete seinen Sohn kühl. „Ich erwäge, dich zurück auf die Inseln zu verschiffen, mein Junge. Daher würde ich es mir an deiner Stelle zweimal überlegen, ehe ich das nächste Mal mit dem Cousin zusammen die Schwester quäle – oder sonst irgendetwas anstelle.“
Alexi erbleichte. „Du würdest mich zurückschicken?“, stieß er hervor.
„Vielleicht morgen?“, gab Clive zurück.
„Ich schwöre, ich werde mich benehmen!“, rief der Junge.
Mit finster entschlossener Miene trat Ned vor. „Sir, es war ganz und gar mein Fehler. Ich habe Alexi angestiftet. Wenn jemand bestraft werden muss, dann bin ich es. Aber schicken Sie ihn nicht zurück.“
„Ich werde darüber nachdenken. Bis dahin werdet ihr, nachdem ihr mit euren Lektionen fertig seid, Ariella einen Entschuldigungsbrief schreiben.“
Die Jungen nickten und schlichen bedrückt die Treppen hinauf.
„Das haben sie gebraucht.“ Rex nickte billigend. Dann lächelte er Amanda zu. „Darf ich Sie zum Essen begleiten, Miss Carre? Bestimmt bevorzugen Sie meine Aufmerksamkeit gegenüber der meines egoistischen Bruders. Dabei können Sie mir alles über Ihren Besuch bei Lady Harrington erzählen.“
Amanda lächelte und zögerte nicht. Sie ging zu ihm. „Ich bin entzückt über Ihre Aufmerksamkeit, Sir Rex.“ Sie warf einen Blick zurück zu Clive und zog die Brauen hoch, um zu sehen, ob ihm ihr neues Benehmen gefiel.
Das tat es, denn er nickte ihr zu. „Gut gemacht“, murmelte er und senkte den Blick.
Amandas Herz schlug schneller.
Amanda beugte sich über den Sekretär in ihrem Zimmer und las in einem Buch über die Geschichte Londons, das Monsieur Michelle ihr am Tag zuvor gegeben hatte. Sie kam nur langsam und mühevoll voran, und neben ihrem Ellenbogen lag ein Wörterbuch, das Clive ihr noch auf dem Schiff gegeben hatte. Es war egal. Sie liebte es zu lesen, und jeden Tag fiel es ihr ein wenig leichter als am Tag zuvor.
Ihre Zimmertür wurde aufgerissen, und sie schrak zusammen, als Lizzie dastand, das Gesicht gerötet vor Aufregung. Amanda schloss ihr Buch, nicht ohne zuvor ein Lesezeichen eingelegt zu haben, und fragte verwirrt: „Lizzie? Steht das Haus in Flammen?“ Lizzie de Warenne war die ruhigste Frau, die sie kannte.
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