Freibeuter der Leidenschaft
hüpfte sie beinahe von einem Fuß auf den anderen. „Du musst nach unten kommen. Meine Schwester ist hier mit ihrem Mann und einem Freund.“
Amanda stand auf, nicht ganz ohne Angst, aber auch sie war aufgeregt. Sie hatte ein wenig gehört über Lizzies exzentrische Schwester Georgina und Rory, ihren Ehemann, der als Zeichner für die Dublin Times arbeitete und berüchtigt war für seine radikalen politischen Satiren. Es freute sie, so schnell so viel Erfolg gehabt zu haben, nicht nur bei Blanche Harrington, sondern auch bei der Familie de Warenne. Doch sie wartete ahnungsvoll auf die unvermeidliche Blamage, die kommen würde: Ihr gegenwärtiger Kurs konnte unmöglich ganz ohne Sturmtiefs abgehen.
Lizzie wusste das, denn sie lief auf Amanda zu und nahm ihre Hände. „Du wirst Georgina und Rory lieben! Sie sind beide sehr direkt und sehr radikal! Ich muss dich warnen, sie werden versuchen, dich für ihre jeweiligen Ziele einzuspannen – Georgie ist für die Union, und Rory glaubt, Irland sollte unabhängig werden. Beeil dich!“
Amanda musste lachen, als Lizzie sie durch den Gang und dann die Treppe hinunter zog. „Ich dachte, Damen dürften nicht über Politik sprechen?“
„Eigentlich nicht, aber in dieser Familie hat jeder zu irgendetwas eine leidenschaftliche Meinung. Du wirst sie lieben, Amanda, so wie ich“, versicherte sie. „Und du kannst einfach du selbst sein. Du musst dich nicht verstellen.“
Amanda bezweifelte das. Sie erinnerte sich, wie es war, allein auf den Inseln zu sein, während ihr Vater unterwegs war, und wie sie versucht hatte, sich um die Farm zu kümmern. Und sie dachte an die sechs Wochen auf Clives Schiff. Es fiel ihr schwer, sich das zerlumpte Kind in Hosen vorzustellen, das lügen und stehlen musste, um zu überleben. Sie blickte an ihrem schönen Kleid hinunter und dachte an das kurze Gespräch, das sie mit Blanche Harrington geführt hatte, und an all die schönen Abendessen in Harmon House. Sie dachte daran, wie sie die Bond Street mit der Countess hinunterspaziert war und an die Ausfahrt im Park mit Lizzie und Eleanor. Sie war nicht ganz sicher, wer sie überhaupt war, aber ganz bestimmt war sie nicht mehr La Sauvage.
„Hier ist sie!“, rief Lizzie aufgeregt und zog Amanda hinter sich in die Eingangshalle.
Eine große, schlanke Frau mit dunkelblondem Haar trat sofort vor, gefolgt von einem gut aussehenden blonden Mann. „Ich habe so viel von Ihnen gehört“, sagte Georgina McBane zur Begrüßung. „Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Wie gefällt Ihnen London? Brauchen Sie jemanden, der Sie herumführt? Es wäre mir eine Freude.“
Ihre Begeisterung überraschte Amanda. Unterschiedlicher hätten zwei Schwestern kaum aussehen können. Aber Georgina McBane lächelte so herzlich, und Amanda erkannte, dass sie wirklich erfreut war, ihre Bekanntschaft zu machen. Sie war ihrer Schwester doch sehr ähnlich – eine freundliche Frau ohne Verstellungen. „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite“, brachte sie heraus und wollte knicksen.
„Oh, wir brauchen keine Formalitäten“, lachte Georgina. „Außerdem bin ich nur Mrs. McBane. Ich bekleide keinen höheren Rang als Sie, Miss Carre.“
Ihr Ehemann jedoch verbeugte sich sehr höflich und zwinkerte mit seinen grünen Augen. Er schien hin und her gerissen zwischen Belustigung und Entsetzen. „Jetzt lerne ich also endlich Clives Mündel kennen. Das ist eine erstaunliche Entwicklung“, sagte er und lächelte. „Aber jetzt, da ich Sie endlich kennenlerne, ist es vielleicht doch nicht so erstaunlich. Clive hatte schon immer einen Blick für die schönsten Frauen.“
Amanda errötete, als sie merkte, dass Rory ein gut aussehender Mann war, der mit ihr flirtete. „Clive war sehr freundlich zu mir, genau wie die ganze Familie“, sagte sie. „Hätte er mich nicht aufgenommen, wäre ich wohl in ein Waisenhaus geschickt worden.“ Dann wurde ihr bewusst, dass dies wohl keine angemessene Begrüßung war. Aber ehe sie den Fehler korrigieren konnte, sahen Rory und Georgina einander an.
„Nun, der Clive, den wir kennen, ist ehrenwert, aber nicht gerade bekannt für seine Freundlichkeit“, sagte Georgina. „Wo steckt der Kerl eigentlich?“
Rory murmelte: „Und er ist berüchtigt.“
Georgina stieß ihn in die Rippen.
„Georgie!“, sagte Lizzie. „Ich verspreche, dir alles zu erzählen.“ Die Schwestern lächelten einander zu.
Ganz kurz fühlte Amanda sich sehr allein. Zuerst hatte die Intimität
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