Freibeuter der Leidenschaft
Halsband, das sie von Clive bekommen hatte. Jetzt musste die Zofe ihr nur noch helfen, das Ballkleid anzulegen und die Handschuhe sowie ein diamantenbesetztes Armband, von dem die Countess wollte, dass sie es trug. Amanda biss sich auf die Lippen.
Niemals würde er sie so enttäuschen. Etwas Schreckliches musste geschehen sein, das ihn aufhielt. Entweder das, oder er war viel wütender, als sie es geglaubt hatte.
Wenn er nicht kam, würde sie nicht auf den Ball gehen. Trotz allem, was geschehen war, gehörte der erste Tanz ihm. Sie würde ihn keinem anderen schenken.
Während sie dastand und zitterte, denn es war eine kühle Herbstnacht, schlug ihr Herz wie rasend. Den ganzen Tag über war sie angespannt und aufgeregt gewesen. Sie hatte Angst gehabt vor dieser ersten Wiederbegegnung, wie er sie ansehen, was er sagen würde. Natürlich war das dumm, aber sie hoffte, er hatte ihr verziehen, was sie auf Ashford Hall getan hatte. Sie hoffte, er hätte seine Meinung geändert, was die vielen Grenzen zwischen ihnen anging. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, so musste sie ihn unbedingt wiedersehen. Ohne ihn fühlte sie sich leer und erschöpft.
Und dann sah sie eine Mietdroschke zwischen den beiden Säulen am Ende der Einfahrt erscheinen. Amanda schrie auf, öffnete ein Fenster und sah zu, wie sie näherkam. Die schwarze Kutsche fuhr die Einfahrt hinauf und blieb vor dem Haus stehen. Die Tür ging auf, und Clive stieg aus.
Ganz fest umklammerte sie das Fenstersims, während ihr Herz wie rasend schlug. Er hatte sie nicht im Stich gelassen. Sie schaute ihn an und war überwältigt von ihrer Liebe.
Er sah auf.
Obwohl sie zwei Stockwerke über ihm war, sahen sie sich sofort in die Augen.
Amanda lächelte nicht, sie konnte nicht.
Er lächelte auch nicht, aber während er zum Haus ging, sah er zu ihr hoch, bis er unter dem Portikus und aus ihrem Blickfeld verschwand.
Zitternd schloss Amanda das Fenster. Clive war nach Hause gekommen.
Er betrat die Halle und zwang sich, langsam zu gehen, wenn er doch am liebsten gerannt wäre. Ohne Zögern ging er zur Treppe, und sein Herz raste vor Aufregung. Zuerst würde er seine Kinder begrüßen und dann ganz beiläufig Amanda einen guten Tag wünschen. Er musste sich von ihr fernhalten, aber trotzdem hatte er Amanda in den vergangenen zwei Wochen mehr vermisst als er je einen Menschen vermisst hatte. Tag und Nacht war sie in seinen Gedanken gewesen. Tatsächlich hatte er nachts kaum Schlaf gefunden, es war die Hölle gewesen. Aber er war noch immer davon überzeugt, dass er das Richtige getan hatte, als er fortging und Adare bei der Suche nach einem Ehemann für sie um Hilfe bat.
Und jedes Mal, wenn er daran dachte, schnürte es ihm fast die Kehle zu.
Ihn hatten ernsthafte Zweifel überkommen, ob er wohl fähig sein würde, sie am Altar einem anderen zu übergeben.
„Clive“, sagte Tyrell hinter ihm.
Unwillig blieb Clive stehen und sah seinen ältesten Bruder an, der aus einem der kleineren Salons gekommen war, wo er jetzt auch Rex und Sean sitzen sah. Sie alle trugen bereits Fräcke und die dazu passenden Hosen. Er wollte nicht nur seine Kinder und Amanda sehen, er musste sich auch rasch umkleiden.
Während der Heimfahrt hatte er schon angefangen, über den Walzer nachzudenken. Er konnte nicht anders – er konnte es nicht erwarten, sie in die Arme zu nehmen und mit ihr durch den Raum zu tanzen.
Aber er hatte Tyrell seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Er respektierte seinen älteren Bruder, und er liebte ihn sehr, ungeachtet der Tatsache, dass er Adare immer ähnlicher wurde. Er lächelte, und die beiden Männer umarmten einander.
„Du bist spät dran“, sagte Tyrell, und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Das ist mir bewusst. Wann brechen wir auf?“ Er versuchte, seine Ungeduld zu beherrschen. Warum hatte Amanda ihn nicht angelächelt? Vielleicht war sie ihm böse, weil er London verlassen hatte. Und wenn dem so war, konnte er ihr daraus keinen Vorwurf machen.
„Um halb sieben. Gehst du nach oben, um dich umzuziehen?“, fragte Tyrell ein wenig zu beiläufig.
Clive sah ihn an. „Warum sonst sollte ich nach oben laufen?“
Tyrell lächelte. „Es gab heute einige Zweifel, was deine Rückkehr anging.“
Seine Anspannung ließ ein wenig nach. „Warum? Ich gab Amanda mein Wort, dass ich rechtzeitig zum Ball zurückkehren werde. Sie hat mir den ersten Tanz versprochen. Wie geht es ihr?“
„Sehr gut“, meinte Tyrell. „Trotz der Tatsache,
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