Freibeuter der Leidenschaft
Zimmer seiner Tochter. „Ariella? Anahid?“
Es dauerte einen Moment, dann öffnete die Armenierin die Tür. Er ahnte ihr Lächeln. „Herr?“
Er blickte an ihr vorbei und sah Ariella, die noch ihr Nachthemd trug und ein Buch an die Brust gepresst hielt.
Er musste lächeln. „Guten Morgen. Keine Sorge. Anahid hat Dutzende von Büchern für dich eingepackt. Und wenn das nicht genügen sollte, ist da noch immer meine Bibel.“
Sie gähnte.
„Wir sind in zehn Minuten unten, Herr“, sagte Anahid ruhig.
Er ging hinaus. Clive eilte nach unten und betrat die große Halle, getrieben von Aufregung. Er war immer am glücklichsten, wenn es galt, Segel zu setzen. All die Dämonen, mit denen er während der Nacht gekämpft hatte, waren fort. Innerhalb von zwei Stunden würde er den Wind im Rücken haben, die weite See vor sich, und seine Kinder würden ihn begleiten. Das Leben konnte nicht schöner sein.
Die Dienstboten hatten die Wandlichter angezündet, und die Halle war zum Teil erleuchtet. Morgendliche Schatten spielten auf dem Marmorfußboden. Plötzlich erblickte Clive seinen Hausgast, auf einem der spanischen Stühle in der Nähe des Eingangs. Er hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass sie schon auf den Beinen war. Auch sie bemerkte ihn und sprang auf, wobei sie ihn aus großen Augen ansah.
Beim Näherkommen verlangsamte er seinen Schritt. Auf keinen Fall wollte er daran denken, was ihm in der letzten Stunde alles durch den Kopf gegangen war. „Guten Morgen. Der Tag ist kaum angebrochen. Konnten Sie nicht schlafen?“ Obwohl er in der Nacht an ihrer Tür vorbeigekommen war und sie weinen gehört hatte, zeigten sich auf ihrem Gesicht keine Spuren einer unruhigen Nacht. Während sie getrauert hatte, hatte er ihre Kleider waschen lassen, und sie trug jetzt wieder ein weites Hemd und ihre Hose, um die Taille jedoch hatte sie eine schwere Goldkordel geschlungen. Diese sah verdächtig danach aus, als stammte sie von seinen Vorhängen.
„Heute früh setzen wir Segel“, sagte sie lächelnd. „Warum sollte ich im Bett bleiben?“
Er hatte das Gefühl, seine Welt würde stehen bleiben. Bestimmt stammte ihre Aufregung von der Vorfreude auf die Begegnung mit ihrer Mutter. Auf keinen Fall konnte sie denselben Lockruf des Meeres verspüren wie er. „Es ist eine sechswöchige Reise, bis Sie Ihre Beziehung zu Ihrer Mutter wieder auffrischen können.“
„Wovon reden Sie? Ich weiß, wie lange die Reise dauert.“ Sie begann unruhig zu werden. „Die Winde stehen gut. Stechen wir jetzt gleich in See?“
War es möglich, dass sie genauso sehr darauf brannte wie er, endlich mit dem Schiff auslaufen zu können?
„Sie starren mich an, als wäre ich eine Verrückte!“, rief sie aus. „Es ist so lange her!“ Sie begann, von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen. „Gibt es einen Grund für die Verzögerung? Ich sah vom Fenster aus, wie Ihre Männer Segel setzten. De Warenne – ich meine, Captain – ich brauche ein schwankendes Deck unter meinen Füßen und den Wind in meinen Haaren.“
Und während er sie so ansah und so unglaublich überrascht war, fühlte er erneut heftige Erregung. Erschrocken drehte er sich weg, damit sie nicht sehen konnte, wie er körperlich auf ihre Aufregung reagierte. Er war nicht sicher, ob er je so erregt gewesen war.
„De Warenne? Ich meine – Captain, wir sind doch bereit zum Aufbruch, oder?“
Er antwortete nicht. Vor ihnen lag eine sechswöchige Reise. Seine Reaktion war schlicht unmöglich. Als Schiffskapitän war es seine Pflicht, sie zu beschützen und dafür zu sorgen, dass sie sicher ihr Ziel erreichte, nicht, sie in einem wahnsinnigen Moment zu verführen.
Zum Glück habe ich meine Familie bei mir, dachte er.
„Ist Ihnen nicht wohl?“, fragte sie und zupfte von hinten an seiner Weste.
Er achtete darauf, dass er wieder vollkommen entspannt war, ehe er sich umdrehte. Dann sah er sie an. „Ich nehme meine Kinder mit auf diese Reise, und sie sind auf dem Weg nach unten. Sobald sie bereit sind, legen wir ab.“
Ihre Augen funkelten. „Ich begann, mit meinem Papa zu segeln, als ich sechs war“, sagte sie. „Ist das nicht auch das Alter Ihrer Tochter?“
„Ja.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Sie benehmen sich so seltsam. Stimmt etwas nicht?“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und achtete darauf, nur in ihr Gesicht zu sehen. „Wann waren Sie das letzte Mal auf See? Und ich meine nicht das Paddeln in Ihrem Kanu.“
„Da war die kurze Überfahrt nach
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