Freibeuter der Leidenschaft
sich, ob sie nun von Clive de Warenne träumen würde. Denn er war genauso wie der Geliebte in ihrem Traum, oder? Groß, stark, golden …
Er sah sie aus großen Augen an und sprang auf. Dann trat er einige Schritte von ihr zurück und schenkte sich etwas zu trinken ein. Seine Hand zitterte.
Amanda rührte sich nicht. Warum dachte sie jetzt an diese so persönlichen Träume? Sie hatten Geschäfte zu besprechen. Aber warum zitterte er? „Warum zittern Sie?“
Er gab nur einen Laut von sich statt einer Antwort.
Sie streckte die Beine aus. „Vielleicht bekommen Sie eine Erkältung. Manche der Seeleute haben Sie schon.“
„Es ist keine Erkältung“, murmelte er.
Sie lächelte ihn an. „Das ist gut.“ Sie zögerte, denn trotz ihrer festen Entschlossenheit fürchtete sie sich vor diesen besonderen Verhandlungen. Außerdem gefielen ihr der Stuhl, der Raum und diese vornehme Gesellschaft. „Warum haben Sie so viele Möbel? Und wenn Sie diese Frau nicht in Ihrem Bett haben wollen, warum war sie dann hier?“
Er kam zu ihr und musterte sie erschüttert. „Ich weiß, dass Sie eine schreckliche Zeit hinter sich haben und dass wir aus verschiedenen Welten kommen. Amanda, ich – jemand muss Sie gewisse Dinge lehren.“
Sie wurde wachsam. „Wie zum Beispiel? Lesen?“
„Das kann ein Lehrer tun. Sie können in Gesellschaft bestimmte Dinge nicht sagen. Tatsächlich können Sie – niemals über das Bett sprechen.“
„Zum Teufel, warum nicht?“, fragte sie ehrlich verwirrt. „Das tun alle Männer, fast immer.“
Er sah sie an, und endlich erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Na schön“, sagte er und hob die Hand. „Wir sind Opfer unserer männlichen Körper, das kann ich Ihnen versichern. Fangen wir von vorn an. Sie können nicht in diesem Aufzug hier herumlaufen.“
Sie sah hinab an ihrem hübschen Nachthemd. Er wollte es zurückhaben, begriff sie plötzlich. Sie zupfte an der Spitzenverzierung eines der Bänder. Dann sah sie auf und zuckte die Achseln, sodass er verstand, wie gleichgültig es ihr war, wenn er es zurücknahm.
Er betrachtete sie gründlicher. „Amanda.“ Wieder setzte er sich auf die Ottomane, auch wenn er ein Stück zurückgewichen war. „Wir müssen noch über etwas anderes reden.“
Er war sehr ernst. Würde er sie jetzt doch noch hinauswerfen?
„Ich hoffe, ich war nicht voreilig, aber ich dachte, Sie würden ein Begräbnis auf See wünschen.“ Amanda erstarrte. „Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Wo ist Papa?“, rief sie beunruhigt. „Er ist in Kingston in der Begräbnishalle. Wir können ihn auf See bestatten. Ich habe dafür gesorgt.“
Amanda nickte. Sprechen konnte sie nicht.
„Ich dachte an morgen“, sagte er, sein Blick sanft und voller Mitleid. „Stehen Sie das durch? Ich könnte als Schiffskapitän ein paar Worte sagen, oder einen Priester rufen oder auch einen Marinegeistlichen.“
Papa ist noch nicht beerdigt, dachte sie. Sie würde an seinem Begräbnis teilnehmen können. Sie sah ihm in die Augen. „Ich wünsche mir, dass Sie den Segen sprechen.“
„Dann machen wir das so“, sagte er leise.
Er war schon wieder so freundlich, und dabei sah er so unglaublich gut aus, dass ihr ganz leicht ums Herz wurde. Sie sah in seine strahlend blauen Augen und fühlte sich unsagbar froh, unsagbar geborgen, als hätte sie gerade nach einem heftigen Sturm den sicheren Hafen erreicht. Vielleicht muss ich doch keine Angst haben vor diesem Mann, dachte sie.
Er stand auf. „Wollen Sie mich aus einem bestimmten Grund sprechen? Wenn nicht – für meine Kinder ist jetzt Schlafenszeit, und ich muss nach oben gehen.“
Sie holte tief Luft, um Mut zu fassen, und weigerte sich daran zu denken, was geschehen würde, nachdem er ihren Handel akzeptiert hatte. Stattdessen sah sie sich schon an Deck der Fair Lady stehen, draußen auf dem Meer mit schaumgekrönten Wogen. Sie würde am Bug stehen, er mit seinen Offizieren auf dem Achterdeck. Sie würden dahinfliegen mit so vielen Segeln, wie sie kein vernünftiger Mann jemals in so stürmischem Wetter einsetzen würde. Ihm wäre es egal. Er würde darüber lachen, genau wie sie. Sie lächelte.
„Amanda?“
Sie kam wieder zur Vernunft, und ihr Lächeln verschwand. Stattdessen biss sie sich auf die Lippe und zögerte.
Er ließ den Blick zu ihrem Mund gleiten und dann wieder hinauf zu ihren Augen. „Was wollen Sie mich fragen?“
Jetzt gab es keine Wahl mehr, als es zu wagen. Amanda stand auf. „Ich würde alles
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