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Freibeuter der Leidenschaft

Freibeuter der Leidenschaft

Titel: Freibeuter der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Brenda
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dass er daraus vorlas, aber sie verstand kein Wort von dem, was er sagte.
    Der Kummer schien aus dem Nichts gekommen zu sein und drohte sie zu überwältigen. Vor ein paar Stunden noch, als sie alle Segel gesetzt hatten, war sie von Freude erfüllt gewesen. Sie hatte das schreckliche Schicksal ihres Vaters vergessen. Jetzt kämpfte sie darum, den Schmerz um seinen Verlust im Zaum zu halten. Es schien eine überwältigende, unlösbare Aufgabe zu sein. Woge um Woge erfasste sie die Trauer.
    Sie wollte nicht die Fassung verlieren vor de Warenne, seiner Familie und seiner Mannschaft.
    Ich kann das nicht, dachte sie, als ihr endlich doch die Tränen über die Wange liefen. Ich kann nicht leben ohne Papa. Es tut zu sehr weh.
    Er hatte ihr alles im Leben bedeutet. Ihre Mutter war ihr völlig fremd, und sie würde niemals den Platz ihres Vaters ausfüllen können.
    Ihre Knie drohten nachzugeben, sie zitterte am ganzen Körper, und die Tränen liefen ihr weiter über das Gesicht.
    Bitte mach, dass dieser Traum aufhört, flehte sie. Bitte.
    Dann bemerkte sie, dass es still geworden war. Nur das Ächzen der Masten war noch zu hören, das Schlagen der Segel, das Plätschern des Wassers, das Rauschen der Gischt. De Warenne hatte aufgehört zu reden.
    Sie wagte es nicht, ihn anzusehen. Wenn sie das tat, würde sie vor Schmerz und Zorn schreien.
    Er trat vor sie hin, sprach leise und unendlich sanft. „Möchten Sie ein paar Worte sagen?“
    Wie konnte sie etwas sagen, wenn sie kaum zu atmen vermochte, geschweige denn zu reden? Die Stille auf dem Schiff war einfach entsetzlich.
    „Möchten Sie sich wenigstens verabschieden?“, fragte er leise und umfasste ihre Schultern.
    Sie musste aufsehen. Sie hatte das Gefühl, sowohl in ihrer Trauer als auch in seinen blauen Augen zu versinken. Mühsam nickte sie und unterdrückte ein Schluchzen.
    Er legte einen Arm um sie und führte sie zu dem glänzenden Sarg.
    Amanda fiel auf die Knie. Sie umarmte das gewachste Holz und legte ihr Gesicht auf die glatte Oberfläche. Papa, dachte sie, ich liebe dich, ich habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben.
    Sei stark, Mädchen. Sei immer stark. Du bist jetzt in guten Händen.
    Amanda erstarrte, denn wieder hatte sie das Gefühl, dass Rodney hier war und mit ihr sprach. „Ich bin nicht stark“, flüsterte sie. „Das ist gelogen. Ich kann das nicht allein.“
    Du bist nicht allein, Mädchen, und du bist stark. Stark und tapfer, vergiss das nur nicht.
    „Nein, das bin ich nicht“, weinte sie.
    Jemand umfasste ihre Schulter.
    Ich muss gehen, Mädchen. Lass mich gehen.
    Schmerz umfing sie. „Lass mich nicht allein!“, rief sie. „Papa!“
    Starke Hände zogen sie hoch, ein Arm zog sie an einen muskulösen Körper. „Lassen Sie ihn gehen, Amanda.“ De Warenne nickte seinen Männern zu.
    Amanda begann zu weinen, als die sechs Matrosen den Sarg hochhoben und ihn zum Heck trugen. „Verlass mich nicht“, stieß sie hervor.
    „Gott segne ihn“, sagte de Warenne.
    „Amen“, murmelten dreihundert Männer.
    Der Sarg wurde dem Meer übergeben.
    Amanda begann zu schreien.
    „Sie müssen sich hinlegen“, sagte de Warenne und zog sie energisch weg von der Reling.
    Sie drehte sich herum und schlug ihn mit beiden Fäusten, immer wieder, so fest sie konnte, als hätte er ihren Vater umgebracht.
    Er hob sie auf seine Arme und trug sie unter Deck, während sie ihn weiter schlug, immer wieder schlug, ihn hasste und Woods hasste und alle Briten, die ganze Welt … bis ihr Zorn verebbte und nichts mehr blieb außer der Erschöpfung.
    Ein paar Stunden später erwachte Amanda. Sie blickte hinauf zur Decke der Kapitänskajüte und stellte verärgert fest, dass sie sich in de Warennes Bett mit den vier Pfosten befand, wo er sie nach dem Begräbnis hingelegt hatte. Er hatte ihr auch etwas zu trinken gegeben, aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was es gewesen war. Dann hatte sie sich in den Schlaf geweint.
    In der Kabine war es vollkommen dunkel. Sie blickte zu den Bullaugen, die offen standen, sodass eine angenehme Brise hereinwehte. Draußen war der Nachthimmel schwarz wie Samt, geschmückt von blinkenden Sternen.
    Sie setzte sich auf in den kühlen Damastdecken. Ihre Finger berührten ein Kissen aus Leopardenfell. Papa war fort. Er würde nicht zurückkommen, dieser Tatsache musste sie jetzt ins Auge sehen.
    Barfuß glitt sie vom Bett. Er hatte ihr die Stiefel ausgezogen oder jemandem befohlen, das für ihn zu tun. Amanda fand sie und

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