Freibeuter der Liebe
jederzeit auf den technisch ausgefeilten, per Satellit gesteuerten Autopilot wechseln können, der Teil des neu eingebauten Computersystems war.
Es war herrlich, den wogenden Ozean wieder unter sich zu spüren. Sie schloss die Augen und hielt das Gesicht in die Sonne, das Steuerrad in ihren Händen wie eine Verlängerung ihrer selbst. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie Lucinda lachend mit den Delfinen auf den Wellen ritt.
Als Rick, der gerade damit beschäftigt gewesen war, ein loses Seil festzuknoten, aufblickte, sah er sie in dieser Sonnenanbeter-Pose stehen. Er hatte schon befürchtet, es sei ein Fehler gewesen, die Dolphin aus einer Laune heraus zu kaufen, ein überflüssiger Luxus, eine Übersprunghandlung nach Nathans plötzlichem Tod.
Jetzt war er sicher, dass es kein Fehler gewesen war.
Nathans Unfall hatte ihn tief erschüttert. Er war an jenem Tag dabei gewesen. Hatte Nathans leblosen Körper ohne Sauerstoffflaschen an die Wasseroberfläche kommen sehen. Hatte ihn hektisch an Bord gezogen, ihm Luft in die Lungen gepustet, die längst voller Meerwasser waren.
Hatte ihn angefleht, nicht zu sterben.
Um seinetwillen.
Um Stellas willen.
Die Erinnerung an seinen eigenen Vater war im Laufe der Jahre verblasst. Nur ein paar ausgeblichene Fotos erinnerten an ihn – und die oft wiederholten Geschichten, je später der Abend und je mehr Bier floss, desto fantastischer. Anthony Granville war eine Legende.
Ricks Vorbild war Nathan. Und es war auch Nathan, der die Vormundschaft übernahm, als seine Großmutter ihn mit fünfzehn rauswarf, weil sie nicht mehr mit ihm fertig wurde.
Doch Nathan war ein strenger Lehrmeister. Hatte darauf bestanden, dass Rick seinen Schulabschluss per Fernstudium nachholte. Ließ ihn an Bord die Drecksarbeit erledigen.
Und dafür war Rick ihm dankbar. Auf seine Weise hatte er ihm vielleicht mehr Geborgenheit geschenkt als eine intakte Familie.
Er war so wütend auf Nathan gewesen, als er in Großbritannien gelandet war, nur dreißig Stunden nach dessen dramatischen Tod.
Wütend, weil er die schlechte Nachricht überbringen musste.
Wütend, weil Nathan nicht mehr da war.
Doch er wusste, dass er die Nachricht persönlich überbringen musste. Nathan hätte es so gewollt.
Der Gedanke, jemand anders würde es Linda erzählen – Stella erzählen – war unvorstellbar. Linda und Nathan waren zwar geschieden, doch Rick wusste, wie viel sie noch für ihn empfand.
Die Autopsie-Ergebnisse kurz vor der Beerdigung machten Nathans Tod nachvollziehbarer. Als Mann des Meeres verstand Rick, warum Nathan den Ozean einem Krankenhaus vorgezogen hatte.
Doch es hatte den Verlust nicht geringer gemacht.
Und sein spontaner Entschluss, die Dolphin zu kaufen, war aus der Trauer geboren, auch wenn er sich über seine Motive nicht ganz im Klaren war.
Doch als Stella die Augen wieder öffnete und ihn anlächelte, wusste er es genau.
Die Dolphin war ein Teil von ihnen. Von ihrer Vergangenheit. Und egal, was im Laufe der Jahre passieren würde, das Boot würde sie zusammenhalten.
Es war schon einige Jahre her, dass Stella zuletzt Schnorcheln gewesen war. Doch als sie ein paar Stunden später vor Anker gingen, lockte das kristallklare tropische Meer, und sie war in Rekordgeschwindigkeit unter Deck und wieder oben.
„Was zum Teufel hast du da an?“, fragte Rick, als sie neben ihm auftauchte, während er nach Schwimmbrillen und Flossen suchte.
Stella blickte auf ihren praktischen Badeanzug herab. „Gefällt dir die Farbe nicht?“
Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Hier gibt es um diese Jahreszeit Würfelquallen, Stella. In deiner Kabine müssten ein Neoprenanzug und ein Quallenschutzanzug hängen.
Stella blickte auf das Wasser und sehnte sich danach, es auf ihrer nackten Haut zu spürten, wie Lucinda in ihrem Traum.
„Ach, komm schon“, protestierte sie. „Hier draußen auf dem Riff sind wir doch relativ sicher.“
„Ich werde den Leuten sagen, was du dir dabei gedacht hast, wenn sie dir das Gegengift verabreichen.“
Stella zuckte die Schultern. „Das Risiko gehe ich ein.“
Rick schüttelte entschieden den Kopf. „Ich nicht.“ Er zeigte auf die Stufen, die unter Deck führten. „Los“, befahl er.
Stella verdrehte die Augen. „Ja, ja.“
Als sie ein paar Minuten später zurückkehrte, steckte sie von den Knöcheln bis zum Hals in einem hellblauen Lycra-Anzug.
„Ich hasse diese Dinger“, beschwerte sie sich und zupfte an dem eng anliegenden Material. „Ich sehe
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