Freibeuter der Liebe
aus wie ein Moppelchen.“
Rick sah bewusst nicht hin. Wie Nathans Tochter in einem hautengen Quallenschutzanzug aussah, ging ihn nichts an.
„Das tut jeder“, meinte er und reichte ihr Flossen, Taucherbrille und Schnorchel.
Stella starrte ihn an. Nein, nicht jeder sah aus wie ein Moppelchen. Nicht ein Meter achtzig große Size-Zero-Supermodels. Zu denen sie definitiv nicht gehört. Und er schon gar nicht mit seinen durchtrainierten Beinen, den schmalen Hüften, die im krassen Gegensatz zu ihren Kurven standen. Er sah aus wie ein Yves-St.-Laurent-Model oder James Bond.
Sie setzte sich die Taucherbrille auf und sah ihn an. „Willst du nicht mitkommen?“, fragte sie und deutete demonstrativ auf seinen Anzug, den er erst zur Hälfte angezogen hatte.
„Bin schon fertig.“
Sie schnorchelten mehr oder weniger den ganzen Nachmittag. Ein paar Mal machten sie Pause, um etwas zu trinken, und Rick probierte seine hochmoderne Unterwasserkamera aus, ansonsten tummelten sie sich stundenlang im warmen tropischen Wasser, als wären sie wieder Kinder und spielten Pirat und Meerjungfrau.
Stella hatte fast vergessen, wie herrlich es war, die Sonne auf dem Rücken zu spüren, während man in ein verwunschenes Unterwasserreich eintauchte. Wo Fische in allen Farben des Regenbogens um sie herum schossen und zwischen Korallen umhertollten, die einen einzigartigen und faszinierenden Unterwassergarten formten.
Wo die dunklen Schatten riesiger Mantarochen und kleiner Riffhaie in der Ferne lauerten.
Wo die Stille der Schönheit ungeahnte Tiefe verlieh.
Es war schon nach fünf Uhr, als sie aus dem Wasser kamen. Stella zog wieder dieselben Sachen an, Rick schälte sich nur den Anzug bis zur Hüfte herunter, was ihn gleich wieder wie James Bond aussehen ließ. Sie warfen ein paar Angelleinen aus, um sich ihr Abendessen zu fangen, tranken dabei ein kaltes Bier und sahen sich Ricks Fotos auf dem Laptop an. Sie lachten und schwelgten in Erinnerungen, und Rick zeigte ihr Bilder von seiner letzten Bergung – eine Fregatte aus dem neunzehnten Jahrhundert vor den Jungferninseln.
Sie fingen zwei Forellenbarsche, und Rick garte sie auf einem kleinen Grill, den er von unten holte. Der Fisch zerging auf der Zunge. Sie ließen die Beine über Bord baumeln, betrachteten die langsam roter werdende Abenddämmerung, während die Wellen sanft gegen den Schiffsrumpf schlugen, und Stella spürte, wie der Jetlag sie einholte.
Rick räumte ihren Teller ab, und sie ließ sich auf das Deck sinken, die Knie angezogen, und blickte in die Sterne, die einer nach dem anderen am Himmel erschienen. Von unten konnte sie Geschirr klappern hören, und als Rick endlich zurückkam, hatte die Nacht ganz vom Himmel Besitz ergriffen, und die Sterne funkelten wie Diamanten über ihnen.
Ein Dreiviertelmond hing tief am Himmel und warf eine Lichtspur auf die Meeresoberfläche.
„Bist du noch wach, Schlafmütze?“, fragte Rick.
Sie antwortete mit einer Gegenfrage. „Nimmt er zu oder ab?“, fragte sie.
„Er nimmt zu“, wusste Rick, legte sich neben sie auf das noch sonnenwarme Holz und blickte ebenfalls in den Himmel. Er hatte seinen Quallenschutzanzug ausgezogen und trug nur seine Boardshorts.
Stella seufzte. „Es ist so wunderschön. Ich wette, du bekommst nie genug davon.“
„Nein. Nie.“
Unzählige Stunden hatte er nachts an Deck verbracht, wenn Nathan ihm erklärte, wie man sich an den Sternen orientierte. Manch einer mochte es schon damals hoffnungslos altmodisch finden, wo Bergungsunternehmen doch schon seit Jahrzehnten mit ausgefeilten Navigationssystemen und Autopilottechnologie arbeiteten, doch es hatte Rick mehr als einmal aus der Klemme geholfen, wenn die Technik versagte.
Und er liebte es, Nathans Stimme zuzuhören, wenn er über den Himmel redete, als sei jeder einzelne Stern sein Freund. Er kannte nicht nur die Gebilde oder Positionen am Horizont, sondern auch die ganzen alten Seefahrerlegenden.
Was die Sterne anging, war Nathan ein wandelndes Lexikon gewesen, und Rick hatte sein Wissen aufgesogen wie ein Schwamm.
Und dann hatte er es an Stella weitergegeben, die bei jedem Wort ehrfürchtig an seinen Lippen hing.
Wie viele Stunden hatten sie als Kinder so auf dem Rücken an Deck eines Bootes gelegen, nach Sternbildern gesucht und auf die erste Sternschnuppe der Nacht gewartet?
Ihr Arm berührte seinen, als sie auf das Kreuz des Südens zeigte, und ihm wurde klar, wie sehr er das alles vermisst hatte.
Diese … Vertrautheit.
Zwei
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