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Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Titel: Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Löwen
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des Kellers mit Matten aus und besorgte ein Reck, das er an der Decke anbringen konnte. Das erlaubte nicht die ganze Vielfalt der Übungen, die daran möglich gewesen wären, aber Kepler wollte auch kein Kunstturnen betreiben. Für seine Zwecke war die Kopffreiheit über der Stange völlig ausreichend, am Reck wollte er sich nur aufwärmen. Über das Internet besorgte er aus Japan ein Makiwara. Das war ein traditionelles Übungsgerät, vor allem beim Karate. Es bestand aus einem biegsamen, nichtbrechenden und nichtsplitternden, federnden Holzbrett. Keplers Makiwara hatte entgegen der klassischen Umwicklung aus Reisstroh am oberen Ende ein etwa dreißig Zentimeter langes und zehn Zentimeter breites Schlagpolster aus Schaumgummi mit Lederüberzug. Traditionell waren an dem Makiwara die Maße, zwei Meter zwanzig hoch und etwa fünfzehn Zentimeter breit, es war auch nach oben hin verjüngend ausgeführt. Ein weiteres Tribut an die Moderne war die Möglichkeit, das Brett an der Wand zu befestigen, anstatt es in die Erde einzugraben. Am Makiwara übte man vor allem das Schlagen mit der Faust, aber neben dem Körperlichen stellte das Training auch mentale Ansprüche, vor allem an die Konzentration. Gleich am ersten Tag handelte Kepler sich ziemlich anstrengungslos ein verstauchtes Handgelenk ein. Dankbar für die Bestätigung, dass seine Entscheidung richtig war, ging er, die Zähne zusammengepresst, ans Brett, und stellte konzentriert seine Präzision, Kraft und Ausdauer wieder her.
    Zwei Wochen sp äter war ihm das zu wenig. Wieder über das Internet kaufte er ein Mook-Yan-Jong, die behelfsmäßig nach Mensch aussehende Holzpuppe, die in jedem noch so anspruchslosen Kung-Fu-Film vorkam, wenn sich der Held seine unglaubliche Kunst antrainierte. So töricht manche dieser Filme auch waren, die Holzpuppe war es nicht. An ihr ließ sich eine ganze Fülle an Tritt-, Stoß-, Zug-, Druck-, Schlag- und Ausweichtechniken üben. Die Puppe ersetzte keinen echten Trainingspartner, mit dem man sein Können perfektionieren konnte, aber wenn man allein übte, war sie um einiges nützlicher als der eigene Schatten. Kepler sprach kein Kantonesisch, aber dass der Name des Gerätes Hölzerner-Mann-Pfahl bedeutete, das wusste er. Trotzdem war das Holzding nicht so harmlos wie es aussah und hieß. Wenn man dagegen haute und nicht aufpasste, haute es genauso zurück. Eine Zeitlang war für Kepler diese Tatsache eine recht schmerzliche.
    Keplers Meister in der Schule in Rheine hatte ihm das Lok-Yiu-Wing-Chun-Kung-Fu beigebracht, eine Mischung der Inneren und der Äußeren Kampfkünste. Vom Tai-Chi hatte der Stil die grundsätzliche Regel übernommen, die Kraft des Gegners für sich auszunutzen. Die Bewegungen waren gerade und fließenden Überganges, die Inneren Kampfkünste verstanden sich schon immer in erster Linie als eine effektive Methode der Selbstverteidigung. Von den Äußeren Künsten des Shaolin-Kung-Fu, das gegenüber dem Wudang-Kung-Fu als hart galt, hatte der Stil die Aggression übernommen. Kepler gefiel diese Mischung. Er war nicht besonders stark und dieser Stil befähigte ihn, einem Gegner von vorneherein den Schädel einzuschlagen, so kam er erst gar nicht in die Verlegenheit, sich verteidigen zu müssen. Das Wing-Chun - Kung-Fu kannte nicht nur einhundertacht Techniken an der Holzpuppe, sondern auch den Sandsack als Trainingsobjekt, um die Blickführung und die Entfernungseinschätzung zu schärfen. Kepler wollte daran zusätzlich seine Schlagkraft vielseitiger trainieren.
    Anderthalb Monate lang war es seine ausschließliche Beschäftigung, sich im Keller zu verausgaben. Abgesehen vom Laufen und Essen ging er nicht mehr aus dem Haus. Seine innere Unruhe schien sich etwas zu beruhigen, wenn er am Abend erschöpft den Keller verließ.
    Und er schlief ohne zu träumen. Meistens.
    Die Faszination der chinesischen Kampfarten hatte schon vor langer Zeit bei Kepler eine weitere Begeisterung hervorgerufen, und er hatte immer gern chinesisch gegessen. Nun kam er auf die Idee, Kochen zu lernen. Er kaufte ein Kochbuch über die traditionelle chinesische Kochkunst, dazu ein paar Woks.
    Die Ergebnisse seiner Versuche in der Küche waren kläglich. Verglichen mit seinen Leistungen im Keller waren sie grausam. Nach dem zweiten Experiment zuckte Kepler die Schultern, ließ die Woks stehen und aß seitdem beim Chinesen um die Ecke. Die Woks hatte seitdem nur einmal Melissa benutzt.

13. Ohne die Chance, Oma nochmal zu sehen, wäre Kepler im

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