Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
dem Priester eine Frau und ein Mann, die ihn überrascht anblickten. Er griff nach der Hand des Priesters und klatschte den Umschlag hinein.
" Ich will, dass meine Oma ein gutes Begräbnis bekommt. Den Rest können Sie als Spende behalten. Eine Quittung brauche ich nicht."
Der Pastor nickte nur verstört.
Die Beerdigung fand am übernächsten Tag statt. Es waren viele Menschen da, die von Oma Abschied nahmen.
Kepler, in schwarzem Anzug und mit Sonnenbrille, ging nicht in die Kirche, sondern wartete draußen, bis die Messe vorbei war. Seit dem Morgen hatte er zu niemandem ein Wort gesagt.
Auf dem Friedhof dankte Jens Oma für die Kindheit, die sie ihm, Sarah und seinem Bruder geschenkt hatte. Das Sprechen fiel ihm zunehmend schwerer, und als er fertig war, sah er Kepler an. Kepler schüttelte kurz den Kopf. Jens ging mit gesenkten Schultern zur Seite. Sarah trat mit tränenüberströmtem Gesicht an seine Stelle. Sie blickte in den Himmel und atmete hastig durch.
"Sie war meine Mutter", sagte sie mit zitternder Stimme .
D ann konnte sie nichts mehr sagen. Ihre Beine knickten fast ein, als sie zu Jens ging. Sie umarmten einander und weinten ohne sich ihrer Tränen zu schämen.
Viele Anwesende blickten zu Kepler. Er stand reglos da, in seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Er nickte den Totengräbern zu und sie ließen den Sarg herunter. Kepler nahm eine Handvoll Erde, die bereitstehende Schaufel ignorierte er. Vor dem Grab ging er in die Hocke und ließ die Erde zwischen seinen Fingern auf den Sarg rieseln. Er schloss die Augen und murmelte ein fast vergessenes Gebet, das Oma ihm beigebracht hatte. Dann stand er auf und trat zur Seite.
Nach der Beerdigung fuhr Kepler mit Sarah und Jens zu Omas Haus. Während seine Schwägerin Robert von den Nachbarn abholte, sahen er und Jens Omas Testament durch. Es war kurz. Das Haus hinterließ Oma ihnen, ihre Ersparnisse stiftete sie der Kirche und ihrem Verein. Kepler fuhr sofort zur Bank und erledigte Omas letzten Willen.
Als er zurück kam , hatte Sarah Robert gebadet und schlafen gelegt. Sie und Jens saßen in der Küche. Sarahs Blick war nicht mehr so erstarrt, aber Jens sah nur auf seine Hände, die kraftlos vor ihm auf dem Tisch lagen.
Sarah blickte zu Kepler, als er die Küche betrat. Er nickte. Sie lehnte erleichtert ihren Kopf gegen Jens' Schulter, und beide schienen aus dieser Geste neue Kraft zu schöpfen. Ein bedauernder Gedanke durchzuckte Kepler irgendwo am Rande des Bewusstseins, dass es bei ihm und Melissa nie so sein würde.
Schweigend holte er aus dem Kühlschrank zwei Flaschen Bier, öffnete sie, stellte eine vor Jens hin und setzte sich ans Ende des Tisches. Noch immer sagte niemand etwas. Kepler lehnte sich zurück, trank aus der Flasche, dann sah er seinen Bruder an. Jens nahm einen Schluck und seufzte.
"Was m achen wir wegen des Hauses?", fragte er ohne aufzublicken.
" Es gehört euch. Verkauft es und legt das Geld für Robert an." Kepler zuckte die Schultern. "Ich will kein Geld dafür, falls das deine Sorge ist."
"Darum geht es doch nicht." Jens sah ihn verärgert an. "Es ist Omas Haus. Wir sind hier groß geworden..."
"Dann zieht hier ein", unterbrach Kepler ihn.
"Sie war deine Oma", sagte Jens, er klang erbost und fassungslos. "Sie war eine Mutter für uns, und du, du tust das alles mit einem Schulterzucken ab. Du hast nicht einmal die Kirche betreten!"
"Bin dort persona non grata ."
"Dirk", schrie Jens fast, "wir haben heute unsere Oma zu Grabe getragen! Sie war unser Leben und du bist wie ein Stein!"
Kepler sagte nicht s und das machte Jens rasend.
"Konntest du ihr nicht einmal die letzte Ehre erweisen? Bedeutet dir das alles nichts", schnaubte er mit vor Zorn verengten Augen, "mehr?"
"Ich habe meiner Oma meine Ehre erwiesen", erwiderte Kepler nicht minder erbost. "Ihr, nicht der Beerdigung." Er trank, dann sprach er ruhiger weiter. "Sie hat mir alles bedeutet. Jetzt ist sie tot."
"So simpel ist das für dich?"
" Ja. Ich kann nichts dagegen tun, oder?"
Jens blickte ihn wütend an. Sarah legte ihre Hand beschwichtigend auf seinen Arm, aber Jens schüttelte sie ebenso wütend ab und begann sich zu erheben.
"Lass uns gehen", würgte er hervor.
"Bleib hier, Jens", befahl Kepler. "Sag mir ins Gesicht, was dich stört, heule Sarah nicht hinter meinem Rücken damit voll. Sie hat schon genug zu ertragen."
Sein Bruder sank zurück auf den Stuhl und sah ihn angewidert an.
"Wieviel Tod hast du denn gesehen, dass er dich so völlig kalt
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