Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Kenner J apans, er hatte mehr als zwanzig Jahre dort gelebt. Er nannte sich sogar Daijiro, seine Frau hieß Yoko. Daijiro hatte nicht nur einen japanischen Namen, er kleidete sich nicht nur als Japaner, er war quasi einer. Nach Keplers Dafürhalten allerdings der blondeste der Welt. Daijiro hatte in Japan Karate und Kenjutsu erlernt und praktiziert, er war Meister in beiden Disziplinen.
Wegen der Begeisterung für das Schwert blickte Daijiro Kepler fast wie einen Bruder an und er brauchte nur wenige Minuten, um zu erkennen, dass er einen gut ausgebildeten Kämpfer vor sich hatte.
Nach dem ersten Training saßen Kepler und er bis tief in die Nacht an der Bar der Schule und unterhielten sich. Daijiro nahm Kepler als Schüler an, erlaubte ihm jedoch, ihn mit dem du anzusprechen. Anschließend trank Kepler mit Marco auf Bruderschaft. Als er nach Hause ging, war er seltsam erfreut.
Seitdem trainierte er Schwertkampf in einer Gruppe aus sechs Männern, die alle mindestens zehn Jahre als Kampfsportler hinter sich hatten. Daijiro lebte in diesen Stunden richtig auf. Kepler vermutete, dass er nur wegen solcher Stunden die Schule überhaupt betrieb.
Was Kepler an der Schule gefiel, war nicht nur die Nähe zum Bürgerpark, wo man jederzeit draußen seine Ruhe haben konnte. Kepler mochte die familiäre Atmosphäre in der Schule, und dass die älteren die jüngeren unterrichteten, dass Kinder neben Senioren trainierten und alles in gutmütiger und freundlicher Atmosphäre ablief. Die Schule war wie ein Treffpunkt, der Sport war nur eine der Beschäftigungen. Man trainierte, danach plauderte und aß man miteinander.
Die Mischung aus Café und Imbiss, die Yoko eigenständig betrieb, war wohl als Behelf geplant entstanden, schlicht, günstig und gemütlich. Aber manchmal fasste die Bar nicht alle, die dahin wollten.
Über Daijiros Kampffertigkeiten und seine Eigenschaften als Lehrer ließ sich nicht streiten. Was Kepler nicht gefiel, war, dass Daijiro manchmal wie in einer Welt lebte, die nichts mit der Realität zu tun hatte. Kepler hatte jedoch den Eindruck, dass Daijiro sein Leben, so wie es war, liebte. Das fand Kepler, wenn auch widerwillig, mutig von Daijiro, und das gefiel ihm wiederum.
Bei all der Hochachtung, die Kepler seinem Lehrer entgegenbrachte, er wies Daijiros Vorschlag ab, mit Kendo anzufangen und erst dann zu Kenjutsu überzugehen. Kendo war bei weitem mehr, als nur die perfekte Beherrschung des Schwertes, sie diente auch der geistigen Ausbildung des Kämpfers, noch vor der Technik und der Taktik des Kampfes trainierte Kendo Charakterfestigkeit, Entschlossenheit und moralische Stärke. Aber Kepler meinte, als Kämpfer wäre er gefestigt genug, nach zwei Wochen wollte er nur noch Kenjutsu üben.
Das Leitmotiv dieser Kampfkunst lag in der Schnelligkeit und in der Präzision, nicht im ausdauernden Kämpfen wie bei europäischen Rittern, schon der erste Schnitt sollte über Leben und Tod entscheiden. Die Klingenform japanischer Schwerter verlangte eine schneidend-ziehende Bewegung, für eben diesen einen sauberen Schnitt. Das Schwert sollte allein aufgrund seines Eigengewichts und seiner Schärfe schneiden, die Hände hielten es lediglich in der Bahn. Kraftaufwand war im Kampf natürlich nötig, aber im Allgemeinen musste der Kämpfer das Schwert einfach nur führen.
Kepler wies auch den Vorschlag ab, mit dem Katana zu kämpfen. Er argumentierte, dass dieses Schwert im alten Japan nur von den Samurai getragen werden durfte. In Wirklichkeit hatte er viel profanere Gründe dafür, nur mit dem Wakizashi zu üben. Seit dem Aufkommen der Schusswaffen kam man nur selten in die Bredouille, den Kampf mit der Klinge auszufechten. Und dann war für das lange Katana meistens sowieso nicht genügend Raum da, wenn man sich nicht gerade auf offenem Feld gegenüberstand. Das kleinere Wakizashi erfüllte den Zweck des modernen Kampfes viel besser. Man konnte es anstelle des Kampfmessers benutzen und es konnte halbwegs gut verdeckt getragen werden.
Daijiro unterrichtete Kepler im b erühmten Niten-Ichiryū-Stil von Miyamoto Musashi, dem bedeutendsten Samurai Japans. Bei dieser Technik wurde mit dem Katana gekämpft und mit dem Wakizashi pariert. Kepler benutzte das Wakizashi zum Kämpfen und dessen Scheide zum Parieren.
Er lernte den Umgang mit dem Schwert nicht mit der echten Waffe, sondern mit dem Holzäquivalent des Wakizashi, dem Shoto. Aber daran lag es nicht, dass er zum ersten Mal in seinem Leben mit einer Waffe nicht
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