Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
auf Anhieb klarkam. Zum einen erklärte sich das wohl aus seinen über zwanzig Jahren Kung-Fu-Prägung im waffenlosen Kampf. Mit dem beim KSK erlerntem Kali, einer aus philippinischen Eskrima-Techniken abgeleiteten Kampfart mit Stichwaffen, hatte Kepler nie Schwierigkeiten gehabt, ein Messer assoziierte er nur als Verlängerung seiner Hand. Das Wakizashi verlängerte dagegen seinen ganzen Arm.
Der Anregung von Daijiro folgend, las Kepler Musashis Gorin no Sho , das Buch der fünf Ringe . Der Samurai war seiner Zeit weit voraus gewesen, das bewies die Tatsache, dass man mit seinem Buch Manager und Kampfpiloten schulte. Kepler war beeindruckt von der Fülle dessen, was der Mann gelernt und niedergeschrieben hatte. Lediglich Musashis Grundlagen über die geistige Einstellung, die der Samurai im Buch der Erde niedergelegt hatte, gefielen Kepler nicht besonders. Obwohl Musashi ein Ronin gewesen war, ein Samurai ohne einen Herrn, stand bei ihm die Ritterlichkeit sehr hoch. Kepler hielt nicht viel davon. Die Welt hatte sich seit dem siebzehnten Jahrhundert verändert, und nicht zum Besten. Kepler hatte nichts gegen Ritterlichkeit, auch dem Feind gegenüber. Aber er hatte auch den wehrlosen Sohn eines Warlords erschossen. Er hatte es zur Machtdemonstration gemacht, aber eigentlich – damit er vor der Rache des Mannes sicher war, weil er dessen Vater getötet hatte. Es war trotzdem nicht ritterlich gewesen, einen am Boden liegenden Mann zu erschießen.
Aber im Buch der Leere , dem fünften von Musashis Büchern, stand, dass die Intuition mindestens genauso wichtig wie der Intellekt war. Kepler hatte Bacis Sohn intuitiv getötet, also war es doch richtig gewesen. Das ungemütliche Gefühl, das er beim Nachdenken über diese Erschießung hatte, seit er das erste Buch gelesen hatte, war beim fünften wieder verschwunden.
Kepler ließ das Grübeln über die bekloppte Dialektik sein und konzen trierte sich nur auf das, was mit dem Kampf an sich zu tun hatte. Alles Geistige, was den Kampf nicht berührte, überflog er und ließ es beiseite. Wenn das Denken Schmerzen bereitete, war die beste Therapie, es einfach abzustellen.
Besonders geholfen hatte Kepler die Lektüre beim Schwertkampf nicht. Er war nicht wirklich traurig darüber. Kali eignete sich in der modernen Welt viel besser als Kenjutsu, mit einer Blankwaffe zu kämpfen. Aber die Kombination der Techniken würde einen Gegner zumindest verwirren. Kepler ärgerte sich, weil er anders als beim waffenlosen Kampf, nur sehr mühsam Fortschritte erzielte.
Deswegen, und um sich nicht an Afrika und an Katrin zu erinnern, verbrachte er bald fast seine ganze Zeit in der Sportschule. Er trainierte nicht nur den Schwertkampf, das tat er meistens abends. Tagsüber machte er das, was er zuvor in seinem Keller getan hatte. In der Schule hatte er den Vorteil, dass es mehr Platz gab, und manchmal auch Sparringspartner. In den Pausen unterhielt er sich mit Daijiro oder mit anderen Schülern. Viele davon waren Studenten und Kepler fand genügend interessante Gesprächspartner für jedes mögliche Thema.
Beim Training trug Kepler dieselbe Kleidung, die er im Sudan getragen hatte und die er auch seit der Rückkehr meistens trug. Er war sie so gewohnt, dass er sie nicht mehr spürte. Es wäre auch blöd, sich in einer Kleidung auf den Kampf vorzubereiten und in einer anderen zu kämpfen. Zudem gab ihm diese Aufmachung das Gefühl, irgendwohin zu gehören, als ob er einfach nur auf Urlaub wäre und bald zu seiner Einheit zurückkehren würde. Kepler verstand zwar nicht, wieso dem so war, aber wenn er diese Kleidung trug, fühlte er sich einfach gut.
Einen Monat nachdem Kepler sich in der Schule wie zu Hause fühlte, wurde er von zwei Jungen angesprochen. Die beiden waren zehn Jahre alt und sehr beeindruckt von seinem Kung-Fu. Sie waren nicht die einzigen, die ihm das sagten, aber fast im selben Atemzug baten sie Kepler, sie zu trainieren.
W iderwillig, aber Kepler entsprach der Bitte, weil er fand, dass auch er gegenüber der Gesellschaft eine Verantwortung trug. Wenn sie darin bestand, einigen Kindern Kung-Fu beizubringen und sie damit von der Straße fernzuhalten, dann musste er das tun. Innerhalb weniger Wochen wuchs die Gruppe, die er trainierte, auf fünf Jungen und ein Mädchen an. Die Kinder hatten viel Spaß an der Sache, Kepler erstaunlicherweise auch. Vielleicht auch, weil dieses besondere Training nur an zwei Tagen in der Woche stattfand.
Einen Monat später kam ein stiller,
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