Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
"Sie haben es auch für...", er sah den Verkäufer fragend an und fuhr mit der Handkante quer von oben nach unten über seinen Bauch, "...benutzt."
"Harakiri", half Melissa ihm.
Sie hatte ihn recht erbost angeschaut, als er sie von den Kleidern weggezogen hatte, aber jetzt schien sie sich wieder gefangen zu haben.
"Ne, ein anderes Wort", widersprach Kepler grübelnd. "Seppuku."
"Richtig" , bestätigte der Verkäufer mit einem anerkennenden Nicken.
Der Unmut in seinen Augen war verschwunden.
"Kann ich es mir ans ehen?", bat Kepler.
Der Verkäufer sah ihn kurz , aber eindringlich an, dann ging er zum Fenster und holte das Schwert hervor. Vorsichtig, es mutete nahezu feierlich an, überreichte er es Kepler mit beiden Händen.
Er nahm das Schwert ebenso an sich und zog es vollständig aus der Scheide, die er auf den Tresen hinter sich ohne hinzusehen hinlegte. Dann sprei zte er den Zeigefinger seiner linken Hand ab und legte das Schwert mit der Schneide nach oben darauf, genau an dem Übergang des Heftes in die Klinge. Die Klinge war etwa doppelt so lang wie das Heft, aber das Schwert fiel nicht herunter, auch als Kepler es losließ. Leicht schaukelnd ruhte die Waffe auf seinem Finger.
"Perfekt ausbalanci ert", flüsterte er ehrfürchtig.
Er fuhr mit dem Nagel seines Daumens leicht über die Schneide und hatte ihn sofort fast durchgeschnitten.
"Gutes Auge."
Der Verkäufer, der jetzt nicht mehr unwirsch wegen des versauten Feierabends blickte, nickte achtungsvoll, und seine Augen glühten genauso wie Keplers.
Kepler hatte mal mit dem Dao, dem chinesischen Kurzschwert, geübt, aber dann hatte er die Schule gewechselt und nur noch den waffenlosen Kampf trainiert. Jetzt spürte er das Schwert kaum in seiner Hand, aber er wusste, dass es da war, und das verführte ihn. Er führte es hinter seinen Rücken, drückte die Knie etwas durch, als er den Arm wieder nach vorn führte, während er das Schwert in der Hand drehte und seine Linke ging von allein zur Balance hoch. Er machte eine halbvergessene Parade, bevor ihm wieder einfiel, wo er war.
"Kung-Fu", konstati erte der Verkäufer.
Die Hände in Fäusten vor der Brust, verbeugte er sich leicht vor Kepler, der die Geste mit der gleichen respektvollen Geste erwiderte.
"Aber so führen Sie dieses Schwert falsch", sagte der Verkäufer ernst. "Die Philosophie der japanischen Schwertkampfkunst ist eine ganz an dere als die europäische und sogar ganz anders als Sie es gelernt haben."
"Wo kann ich die lernen?", fragte Kepler sofort.
"Kommen Sie am Vierten gegen zwanzig Uhr hierhin", schlug der Verkäufer nach kurzem Nachdenken vor.
" Danke." Kepler steckte das Schwert in die Scheide. "Was kostet es?"
"Eigentlich ist es ein Dekostück", begann der Verkäufer.
Kepler sah ihn wehleidig an.
"Zwei -zwei", sagte der Verkäufer.
Melissa hatte n Keplers Bewegungen anscheinend gefallen. Aber dass er so viel Geld für ein Schwert bezahlen würde, hätte sie wohl nicht gedacht. Sie verzog das Gesicht, als er dem Verkäufer wortlos die EC-Karte gab.
D er Verkäufer wickelte das Schwert in ein Tuch, anstatt es in eine Tüte zu legen. Aber Kepler hatte auch keine verlangt. Er verstaute das Schwert unter seiner Jacke, drückte dem Verkäufer die Hand, dann gingen er und Melissa hinaus.
Kepler hielt mit einer Hand vorsichtig von außen das Schwert unter seiner Jacke fest, aber die andere Hand hatte er frei. Er sah Melissas dunkel gewordene Augen, ihre zusammengezogenen Lippen, und dass sie ihre Hände in die Manteltaschen steckte. Er tat dasselbe mit seiner freien Hand auch.
"Lass uns zurück gehen", sagte Melissa.
Den ganzen Weg zu Keplers Wohnung schwiegen sie.
"Kaffee?", fragte er im Flur.
Melissa nickte und ging ohne ihn anzusehen in die Küche, setzte sich an den Tisch und verharrte ohne Kepler zu helfen oder zu ihm zu blicken. Er hantierte am Wasserkocher, stellte die Tassen und den Kaffee auf den Tisch und wartete, bis das Wasser aufgekocht war. Das Schwert lag auf der Küchenplatte. Melissa warf einen Blick darauf, danach schaute sie zum Fenster hinaus und schwieg.
"Was ist?", fragte Kepler nach einiger Zeit.
"Zwei -zwei", erwiderte sie beißend. "Für ein Schwert."
"Es ist perfekt ." Kepler verstand Melissas Vorwurf nicht. Als sie nichts sagte, machte er eine abweisende Geste mit der Hand. "Ah, vergiss es."
"Perfekt", bellte Melissa plötzlich wie gehetzt. "Hättest du auch nur die Hälfte für dieses Kleid ausgegeben?"
"Welches Kleid?", fragte Kepler
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