Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
"Der Kampf vorhin war nur eine Übung und mein Gegner trainiert Karate seit fünfzehn Jahren." Er machte eine Pause. "Also, kommt mir im Knast ein Ganove blöd, wird er innerhalb von fünfzehn Sekunden tot sein. Will der Staatsanwalt das haben?"
"Sie haben doch genug von so etwas", merkte Winker an.
" Ich habe die Schnauze voll davon, ja", nickte Kepler und sah den beiden Männern in die Augen. "Für Sie bin ich nichts, und ich habe nichts. Aber deswegen lasse ich mich nicht für dumm verkaufen. Von niemandem. Für nichts."
Winker blickte zu Valentin, der sich räusperte.
"Herr Kepler", begann er, "wollen Sie dem Staatsanwalt etwa drohen?"
" Ich will es nicht", erwiderte Kepler deutlich, "ich tue es. Oder nein – ich stelle die Tatsachen fest und offenbare ihm quasi die Zukunft."
Winker sah ihn nachdenklich an. Valentin beugte sich ein wenig zu Kepler vor.
"Dirk", sagte er leise, "der Staatsanwalt muss Sie irgendwie zur Rechenschaft ziehen, ric htig hin, falsch her. Irgendwas muss er mit Ihnen machen."
Kepler sah ihn wehleidig an und grinste dann schief.
"Ich könnte ehrenamtlich Kinder trainieren. Sie von der Straße fernhalten."
Der Polizist sah ihn schweigend an, dann setzte er sein Glas bedächtig an die Lippen. Winkers Augen wechselten indessen zwischen ihm und Kepler.
"Ich denke, es lässt sich zur Zufriedenheit aller regeln", meinte Valentin.
"Gut", meinte Kepler nur.
"Es wird etwas Zeit zwischen den beiden Verhandlungen brauchen, falls Ihre überhaupt stattfindet ." Valentin trank den Rest seines Wassers in einem Zug aus und erhob sich. "Ich halte Sie auf dem Laufenden."
"Ich lade Sie beide ein", sagte Kepler, als der Polizist sich nach Yoko umsah.
"Danke sehr" , antwortete Valentin.
Winker stand ebenfalls auf und reichte Kepler die Hand. Er drückte sie, dann die des Polizisten, danach gingen beide Männer. Kepler sah ihnen nach.
Warum immer wieder, dachte er wütend. Was machte er falsch? Sein ganzes Leben prügelte er sich, tötete, und je mehr, desto öfter passierte das. Er atmete durch. Wenigstens lebte er noch, also wozu sollte er sich mit diesen Fragen den Kopf zumüllen. Sein Verständnis für das Richtige deckte sich nicht mit dem, das politisch korrekt war. Aber – Valentin schien in etwa dieselbe Auffassung zu haben. Plötzlich fühlte Kepler sich innerlich beruhigt.
Er erhob sich und wollte zur Theke gehen , um zu bezahlen. Als er sich umdrehte, sah er Nico, der am Nachbartisch saß und ihn bedrückt ansah.
" Wieviel hast du gehört?", erkundigte Kepler sich.
"So ziemlich alles ."
Kepler setzte sich neben ihn hin und sah ihn an.
"Wenn du willst, können wir darüber reden ."
Nico nahm aufgeregt ihm gegenüber Platz.
"Ist das alles wahr?", fragte er. "Cool", sagte er nachdem Kepler genickt hatte.
D ie Bewunderung in seiner Stimme war deutlich.
"Nein, Nico, es ist überhaupt nicht cool", widersprach Kepler nachdrücklich.
"Aber Sie haben doch das Richtige getan ...", wandte der Junge ein.
Kepler war anscheinend jemand, zu dem dieser Junge aufschaute. Aber nur, weil Nico es mit zehn Jahren nicht besser wusste. Irgendwann würde er das Leben besser begreifen, und bis dahin wollte Kepler die idealisierten und realitätsfremden Vorstellungen seines Schützlings nicht noch stärker machen.
"Genau das halte ich mir sieben bis elf Mal pro Tag vor", erwiderte er. "Aber glaube mir, es gibt viel bessere Methoden dafür."
Er sah, dass der Junge nun zwar unsicher war, aber an seiner bewundernden Meinung über ihn festhielt. Nico war noch zu jung, um zu begreifen, dass kämpfen zu können etwas anderes war, als es tatsächlich zu tun.
"Denk bitte darüber nach. Wenn du dann noch Fragen hast, komm und frag."
Der Junge nickte. Kepler erhob sich.
"Darf ich jetzt eine Frage stellen?", fragte Nico und lächelte, nachdem Kepler genickt hatte. "In welcher Einheit waren Sie bei der Bundeswehr?"
Kepler hoffte, dass Nico mit seiner Begeisterung für das Militär eine Sache nicht zu spät verstand, damit er sich nicht irgendwann fragte, was er eigentlich auf der Welt sollte. Nämlich, dass ohne die Krieger die Welt viel besser dran wäre. Und noch mehr hoffte Kepler, dass die Welt den Krieg abschaffte.
Ein Soldat zu sein, dessen hatte er sich nie geschämt.
" Beim Kommando Spezialkräfte", antwortete er knapp und ging zum Tresen.
D ie Begeisterung in den Augen des Jungen bekam er noch mit.
23. Winker und Valentin gingen durch den Park.
"Er sagt und tut was er denkt", sagte der
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