Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
bestätigte Valentin. "Wir wissen von zwei Studenten. Wieviele haben keine Anzeige erstattet?", fragte er rhetorisch und schwieg eine Weile. "Sie haben nicht vor, zu verreisen?", erkundigte er sich dann.
"Eher unwahrscheinlich", antwortete Kepler. "Wollen Sie meinen Pass h aben?"
" Nein", entschied Valentin. "Wir werden uns einige Male sehen müssen, wegen der Untersuchung und der Verhandlung."
Er schob einen Zettel und einen Stift über den Tisch und Kepler schrieb seine Handynummer darauf auf.
"Wollen Sie noch mit einem Psychologen reden?", fragte Valentin pro forma.
" Hilft er mir etwa darüber hinweg, dass ich die Typen nicht getötet habe?"
Zum ersten Mal flackerte der Blick des Ermittlers. Aber er fing sich schnell.
"Wieso haben Sie sie nicht getötet?", i nteressierte er sich.
"Die wollten mich nur vergewaltigen, das ist doch kein Grund, sie dafür zu t öten, wer weiß, was für eine Kindheit sie hatten", meinte Kepler höhnisch, dann wurde sein Ton hart. "Und manchmal ist der Tod eine Erlösung, der Knast ist vielleicht eine schlimmere Strafe. Und – Sie hätten mich erwischt", fügte er schulterzuckend hinzu. "Es ist auch nur schwer zu glauben, dass man im Affekt oder Notwehr drei Menschen zu Tode schlägt. Die Folgen sind viel umständlicher." Er machte eine Pause. "Töten ist manchmal einfach zu kompliziert."
"Gehen Sie, Herr Kepler ." Valentin stand auf, kam um den Tisch herum und öffnete die Tür des Büros. "Ich rufe jemand, der Sie nach Hause fährt."
"Mir reicht es, wenn er mich aus dem Gebäude herausbringt."
Kepler wollte sich nicht betrinken, aber gegen ein Bier hatte er nichts. Im Kiosk am Bahnhof kaufte er eine Flasche Beck's. Zu Hause ging er auf den Balkon, lehnte sich ans Geländer und sah auf die Weser hinab. Der Fluss wirkte wie ein Klacks tiefster Schwärze. Kepler hielt die Flasche mit beiden Händen und starrte vor sich hin, während der Himmel zaghaft immer heller wurde.
22. Marco war gut im Karate, aber der Kampf war nicht fair, schließlich trainierte Kepler verschiedene Kampfsportarten fast so lange wie Marco lebte, und gegen seine Erfahrung und den Stilmix war der Student nahezu machtlos. Aber genau darum ging Kepler es. Er wollte seinen Schützlingen zeigen, dass Übung wichtig war. Die meinten – seit es warm war – dass das, was sie bis jetzt gelernt hatten, schon sehr viel sei. Kepler teilte diese Einschätzung nicht, deswegen hatte er Marco gebeten, gegen ihn zu kämpfen.
N un schlugen sie seit drei Minuten aufeinander ein. Marco hatte zwei anständige Treffer gelandet, aber eigentlich steckte er nur Keplers Schläge und Tritte ein. Würden sie ernsthaft gegeneinander kämpfen, wäre er schon tot. Kepler hoffte, dass das den Kindern genauso wie Marco klar war.
Z wei Männer stellten sich neben die Jungen und das Mädchen, die den Kampf fasziniert beobachteten. Kepler schielte kurz hin. Einer der Männer war Valentin, den anderen kannte Kepler nicht. Er wehrte Marcos nächsten Hieb ab und ging zum Angriff über. Zehn Sekunden später lag Marco am Boden.
"Danke dir", sagte Kepler und half dem Studenten hoch.
Sie schlugen einander respektvoll auf die Fäuste und verbeugten sich. Marco ging weg, Kepler steuerte die Ecke an, in der die Kinder warteten.
"Marco trainiert schon seit fünfzehn Jahren, ich seit über zwanzig, merkt ihr den Unterschied?" Er schwieg kurz. "Es reicht nicht, einem den Schädel einschlagen zu können, wenn er euch bedroht. Man muss es so tun können, dass auch seine Freunde nie auf die Idee kommen, euch nochmal schief anzusehen."
"Schon gut, Herr Kepler", sagte Jennifer, "wir haben's kapiert."
Sie sprach immer für die Gruppe, die Jung en überließen ihr gern das Reden und schickten sie immer vor. Genauso wie vor drei Tagen, als sie Kepler sagte, sie hätten keine Lust weiterzutrainieren, und wozu auch.
"Ich will euch zu nichts zwingen. Ihr wart es, die um das Training gebeten ha tten. Ich tue euch einen Gefallen, es ist nicht andersrum", stellte Kepler deutlich klar. "Wenn ihr nicht wollt, bitte, geht. Ich will euch zu nichts überreden, ich wollte euch nur zeigen, wo ihr steht."
Bevor die Kinder etwas sagten, ging er weiter zu den beiden Männern, die ihn mit großem Interesse beobachteten. Er begrüßte den Polizisten knapp und höflich, dann reichte er die Hand dem anderen Mann und sah ihn fragend an.
"Dirk Winker", stellte der sich vor.
"Sind Sie von der Staatsanwaltschaft?"
"Nein ." Winker lächelte. "Nur eine Art
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