Freiheit fuer Mama
beiden den Hof überquert und die Türen aufgeschlossen haben. Ich husche schnell ins Bad und mache das Wasser aus. Dann ziehe ich mich ruck, zuck aus und steige in den Schaum. Ich angele meine neuen Schuhe heraus, die sich mit Wasser vollgesogen haben, aber schon wieder ein bisschen rosa aussehen. Schnell stopfe ich sie in den Korb, in dem wir unsere schmutzige Wäsche sammeln. Dann tauche ich bis zur Nasenspitze unter.
Noch 30 Sekunden. Puh, geschafft. Langsam geht mein Puls wieder normal. Das warme Wasser ist toll. Und mein kleines Fußball-Kaffeebecher-Match war es auch. So aus der Entfernung betrachtet, kann ich schon wieder darüber schmunzeln. Ja, an sich war es richtiggehend zum Schreien, wie ich mit dem Becher Fußball gespielt habe. Yeah, wie das geklickt hat auf dem Steinfußboden. Das sollte ich öfter machen. Irgendetwas mit Füßen treten, wenn ich sauer bin. Ich könnte mir auch einen Boxsack anschaffen. So ein Ding hat Kerstin. Sie verzieht sich immer zum Boxen in den Keller, wenn ihr alles zu viel wird.
Ich liege ganz still da. Und denke: Warum geht der Schlüssel eigentlich nicht in der Tür? Die Männer müssten doch längst den Hof überquert haben! Ich puste in den Schaum und rieche Vanille und Rose. Schön. Aber wie ich hier so liege und mich ein bisschen entspanne und von dem schönen Duft eingelullt werde, denke ich auch: Warum bin ich eigentlich so sauer, dass ich mit Kaffeebechern Fußball spiele? Doch wohl nicht wegen eines versauten Paars Schuhe! Oh. Jetzt wühle ich tatsächlich ein bisschen in mich hinein. Das habe ich seit Monaten nicht mehr gemacht, dafür war einfach keine Zeit. Und nun ist Zeit, und ich sehe, dass ich ganz schön bekloppt bin. Das ganze Supermama-Getue macht mich unzufrieden. Da hilft eigentlich nur eins: Ich beantrage für nächsten Samstag wieder einen freien Vormittag. Jawohl. Und den gestalte ich nur nach meinen eigenen Wünschen. Jawohl.
Um eins klarzustellen: Um nichts in der Welt würde ich meinen kleinen Paul wieder hergeben. Er ist so niedlich, er ist so puschelig weich und freundlich wie kein anderes Kind auf der Welt. Ich bin total verknallt in ihn. Und er hat mein Leben auch zum Guten verändert. Ich bin heute viel geduldiger als früher. Früher konnte es mir bei allem Möglichen nicht schnell genug gehen. Wenn ich im Supermarkt an der Kasse warten musste, dann wurde ich schier nervös. Heute, mit Kinderwagen, denke ich: »Was soll’s, ob du nun fünf Minuten früher oder später zu Hause bist, ist doch egal.« Oder das viele Draußensein. In den letzten Jahren ohne Kind war ich eher ein Stubenhocker, verbrachte die Wochenenden lieber im Bett als im Park. Mit Kind bist du automatisch viel unterwegs. Manchmal sind wir schon morgens um acht mit dem Kinderwagen im Wald. Dann macht Paul ein Nickerchen und ich drehe meine Runden. Diese Ruhe dort, diese Stille! Nur ein paar Vögel piepsen und das frische Grün duftet so gut. Sonst nichts. Das gibt mir Kraft und Energie. Ich habe all das Grüne in den vergangenen Monaten richtig schätzen gelernt. Ja, ich habe eine neue Kraftquelle für mich entdeckt.
Aber der kleine Bursche hat mein Leben eben wirklich total verändert, und das nicht nur zum Guten. Die Tagesabläufe sind gleichförmig, und die ewige Putzerei geht mir auch auf den Senkel. Und wenn ich dann mal, so wie heute, einen halben Tag für mich habe, weiß ich nichts Rechtes mit mir anzufangen. Ich gehe einkaufen und hänge die Wäsche auf. Ja, ich bin wirklich ganz schön bekloppt!
Ich warte immer noch darauf, dass der Schlüssel im Haustürschloss klappert. Wo bleiben meine Jungs denn bloß?, denke ich, rufe mich aber im gleichen Moment schon wieder zur Ordnung. Das ist auch schon wieder typisch: Statt den Moment zu genießen, die Ruhe, den Schaum und die Wärme, das zweite Bad an einem Tag, lausche ich nur auf den Schlüssel im Schloss und zähle die Sekunden.
Ich höre auf zu zählen und denke: Nur schlecht war es heute ja nicht. Ich habe zwei Rosenduft-Vanille-Bäder genommen, mir neue Schuhe gekauft, und ich war endlich mal OHNE KIND und OHNE KINDERWAGEN einkaufen. Ich musste keine Nase putzen, keinen Schnuller suchen und keine Kekse reichen. Ich hatte die Hände frei – zumindest am Anfang. Ich konnte im Supermarkt durch die Reihen ziehen, OHNE auf der Hut zu sein, weil Paul nach Dosen, Flaschen und Tüten grapscht. Beim Stöbern im Weinregal habe ich sogar einen neuen Weißwein entdeckt, den ich mir heute Abend genehmigen werde.
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