Freiheit fuer Mama
ein paar Bekanntschaften geschlossen.
Später folgten dann: Babyturnen, Babyenglisch, BabySignal (hier lernen Babys eine Art Zeichensprache, um sich mit der Mutter zu verständigen), Kinder-Yoga, Kochkurs, Bastelstunde, Malkurs, Musikgarten, Kinderchor und Science, das Experimentieren für Kinder im Vorschulalter. Und ich mittendrin. Denn als Mama bist du ja immer mit von der Partie. Du bist die Chauffeuse. Wegen all der vielen Termine schaffst du es nicht, das Rad zu nehmen und somit selbst ein bisschen Luft zu schnappen. Nein, ich nehme das Auto und brause wie eine Verrückte herum. Leider denkst du kaum noch darüber nach, ob das alles sinnvoll für dein Kind ist, du machst es einfach mit – weil es alle so machen. Und dabei riskierst du nicht selten dein Leben, um alle Termine pünktlich einzuhalten. Du überfährst rote Ampeln, schnallst dich im Auto nicht an, schüttest Kaffee ohne Ende in dich rein und trinkst schon am frühen Abend Wein. Der Adrenalinspiegel ist ständig über Norm und der Blutdruck auch.
An einem Donnerstag war Schluss damit. Es war ein besonders schlimmer Tag: Kinderschwimmen mit anschließender Musikstunde. Paul hatte schon mehr als 30 Unterrichtsstunden hinter sich, aber fürs Seepferdchen -Abzeichen reichte es noch immer nicht. Er kapierte einfach nicht, wie Arme und Beine zusammengehen. Es machte ihm auch nicht besonders viel Spaß, schwimmen zu lernen. Er liebte es zwar, sich im Wasser zu bewegen. Aber nicht im Kurs. Der Trainer war ein einziges Muskelpaket und etwas grob. Er sagte auch mal: »Komm spring rein, sonst schubs ich dich.« Paul hatte ein bisschen Angst vor ihm. Aber die anderen Mütter meinten, das bräuchten die Jungs. Einen, der ihnen sagt, wo es langgeht.
Nach dem Schwimmen mussten wir immer schnell machen, weil gleich danach Musikkurs ist. Wir hatten eine halbe Stunde Zeit zwischen dem Ende des Schwimmkurses und dem Instrumenten-Karussell. Ich zerrte Paul in die Umkleide, riss ihm die nassen Sachen vom Leib und trocknete ihn ab. Piet untersuchte derweil die leeren Schränke. Paul hatte ihm mal gezeigt, dass man darin Geld finden kann, die Pfandmünzen. Ein paarmal hatte er wirklich etwas gefunden. Das Geld lieferte er immer bei Paul ab. Der hatte ihm das so beigebracht.
Auf dem Weg zum Musikkurs schleckerten die Kids ein paar Süßigkeiten. Wir haben immer was im Handschuhfach. Das ist pädagogisch sicher nicht so toll, aber so hatte ich eine einigermaßen friedliche Fahrt. Ich musste ja ordentlich aufs Gas drücken, wenn wir pünktlich sein wollten. Obwohl ich wieder dreimal bei Orange die Ampel genommen hatte, kamen wir zu spät an. Die Tür war schon zu. Und Nachzügler kommen da nicht rein. Ich hätte heulen können. Stattdessen schrie ich: »Verdammte Scheiße noch mal. Ich reiße mir hier den Arsch auf für nichts und wieder nichts!«
»Scheiße sagt man nicht«, trompetete Paul sofort. Mist, ja, er hatte ja so recht. Ich schreie hier herum und verderbe die Sitten. Aber mir war wirklich nur noch danach, alles herauszuschreien. Scheiße, Scheiße, Scheiße!, dachte ich. Und dann sagte ich mir: Du tickst hier aus und die Kinder bekommen es hautnah mit. Ich mach das nicht mehr. Jetzt ist Schluss. Aus, vorbei. Wir bleiben nachmittags, wo wir hingehören. Zu Hause. Im Garten. Oder im Eiscafé. Schluss, aus, vorbei!
Kinder verstehen
Ich fragte Paul, wie er eigentlich unser Nachmittagsprogramm finde. Er machte alles brav mit und schien am Fußball Spaß zu haben. Aber sonst? Als ich ihn fragte, rückte er nicht so klar mit der Sprache heraus. Er meinte nur, Fußball mache Spaß, aber beim Kinderturnen, da sei die Lehrerin doof. Mir schien, er nahm das alles mehr oder weniger als gegeben hin. So gewohnt war er das Nachmittagsprogramm. Und ich fragte mich allmählich selbst, was Kinder in diesem Alter tatsächlich an Förderung brauchen.
Der Grübelei ein Ende setzte ein paar Tage später dann ein Buch, das wir zu Piets Geburt bekommen hatten. Wir hatten es im Keller versenkt, weil wir eh nie reinguckten. Keine Zeit. Es ist ein dickes Werk, in dem ein Arzt über die Bedürfnisse von Kindern schreibt. Es heißt: Kinder verstehen. Wie die Evolution unsere Kinder prägt. Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster hat das Buch geschrieben. Er hat selbst vier Kinder und in dem Buch zu verschiedenen Themen wie Schlafen, Essen und Spielen genau aufgedröselt, was Kinder brauchen – und was nicht. Als ich mal eine Minute für mich hatte, holte ich das Werk aus dem Keller.
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