Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
Besonders erfreulich war,
dass wir mit dem Image, das wir uns zu geben bestrebt waren, voll ins Schwarze trafen. Nicht nur gut betuchte, sondern auch sehr interessante Leute fanden den Weg zu uns. Eines Tages stand eine bekannte Fernsehmoderatorin vor mir, ohne Absprache. Ich war so beschäftigt, dass ich sie gar nicht erkannte, und wollte sie schon abwimmeln. Sie trat ohne jeden Nachdruck in Erscheinung, wollte einfach erst einmal vorbeischauen, bevor sie sich einen Termin geben ließ. Nur eben: Ich checkte einfach nicht, dass sie es war, weil ich mich voll und ganz auf meine Kundin konzentrierte. Hati nahm mich so unauffällig wie möglich beiseite.
»Du, merkst du denn gar nichts? Das ist doch die …«
Zum Glück sind Prominente oft im Grunde ihres Herzens ganz froh, wenn man sie mal nicht erkennt. Diese Frau hier jedenfalls war total entspannt. Na, da war sie mir gleich umso sympathischer. Und ich konnte sie tatsächlich von unseren Qualitäten überzeugen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Seit diesem Tag ist sie meine Stammkundin. Und, ich darf das vielleicht so sagen, sie wurde sogar eine liebe Freundin.
Ja, wir hatten damals einen tollen Lauf. Georg schaffte es sogar, für uns eine Wohnung direkt über dem Laden zu bekommen. Wie praktisch! Aber auch eine Verführung für mich, das Privatleben hintanzustellen. Was Cenk betraf, so musste ich mir eigentlich immer weniger Sorgen machen. Er war spürbar selbstständiger geworden. Und außerdem wusste er mich immer in seiner Nähe. Seine Tagesmutter akzeptierte er voll und ganz, ich hatte sogar das Gefühl, sie brachte etwas Abwechslung in sein Leben. War ich etwa ein bisschen eifersüchtig?
Aber Georg! Je mehr ich meine Erfolgswelle ritt, desto weniger schien er mit seinem eigenen Leben anfangen zu können. Er traf jetzt eine folgenreiche Entscheidung. Er setzte sein Vermögen ein, um sich in der Geldstadt Frankfurt im Baufinanzierungsgeschäft zu versuchen. Warum er das tat, statt weiter seine unbestreitbaren Stärken in die Waagschale zu werfen - sein glänzendes Aussehen und seine charmant-gewinnende Art im Umgang mit Menschen -, das erschloss sich mir nicht.
Ich für mein Teil wollte und musste meinen eigenen Weg weitergehen. Das war ich dem Leben schuldig, das mich endlich gut zu behandeln schien. So sollte mein Liebster doch recht behalten mit seiner Ahnung? Wie es schien, war es so: In Frankfurt lebten wir uns auseinander. Erst in ganz kleinen, dann in immer größeren Schritten. Alles ohne lauten Knall, ohne großes Drama. Unsere Liebe starb lautlos. Wie ein See, dessen Quelle versiegt und der allmählich austrocknet. Immerhin zwei Jahre noch hielt unsere Beziehung, dann aber war endgültig und unwiderruflich Schluss.
Meinem beruflichen Werdegang gereichte es nicht zum Nachteil, wieder Single zu sein. Single, das war mittlerweile auch Hatice wieder. Wir wurden jetzt zwei richtige Karrieremädels. Hatten im Prinzip nur unser Geschäft im Kopf. Und das lief bestens. Frankfurt ist alles andere als eine Weltstadt, aber es gibt doch eine Menge Leute, die sehr viel Wert auf ihr Äußeres legen. Und die es sich leisten können.
Erst waren wir ein Geheimtipp. Irgendwann dann die erste Adresse für jugendliches, hippes Styling.
Alles bestens also! Und doch … Zunehmend begann ich mir den Kopf zu zerbrechen, was noch fehlen könnte. Ja, es störte mich geradezu, dass alles lief wie geschmiert. Merkwürdig? Nicht für mich. Äußerer Erfolg allein reicht mir nicht. Da muss auch immer etwas von innen her kommen. Etwas Unverwechselbares. Habe ich das von meiner Großmutter? Alle Frauen in Susurluk trugen ihr Haar lang, meine Großmutter aber musste es kalcaya kadar ulun saç tragen: lang bis zum Po. Alle anderen Frauen dort trugen konventionelle Kleidung, nur Babanne trat als wandelnde Sammlung für Teppichmuster in Erscheinung. Und erst ihre legendären Wassergüsse - rituelle Reinlichkeit als bizarres Gesamtkunstwerk!
Nun, so arg musste ich es ja nicht treiben. Unsere Absicht war es ja nicht etwa, türkische Folklore spazieren zu tragen, sondern westliche Menschen schön zu machen. Aber eine ganz persönliche Note für uns beide, die musste noch her!
Irgendwann war die Idee dann ganz von allein da. Waren wir nicht die Zwillinge, zu denen die Stadt für ein gutes Haarstyling ging? Unsere Ähnlichkeit war ein beliebtes Gesprächsthema unter den Kunden, das wussten wir. Das Erkennungsmerkmal »Zwillinge« könnte doch zum Zugpferd für unseren Salon werden!
Weitere Kostenlose Bücher