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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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schlummerten in seiner Seele in trauter Nachbarschaft. Er war von Herzen freigebig und überhäufte uns bei seinen Besuchen mit Geschenken. Hatte er gute Laune, konnte er alle bezaubern. Hatte er sich geärgert, brüllte und tobte er, dass die Wände wackelten. Und dann konnte ihm auch die Hand ausrutschen, was er hinterher natürlich immer bereute. Bei mir ist ihm das nicht passiert, bis auf eine einzige Ausnahme.
    Während seiner Kurzbesuche in Susurluk waren Hatice und ich Tag und Nacht um Babas Wohl besorgt. Dabei suchte ich immer noch ein bisschen mehr seine Nähe als meine Schwester. Es gab so viel nachzuholen! Ich riss mich darum, ihm abends die Füße waschen und massieren zu dürfen und ihm das Essen ins Gästezimmer zu bringen. Dort pflegte er seine Mahlzeiten allein einzunehmen, der alte Pascha.
    Das allergrößte Vergnügen bereitete es uns Mädchen, mit unserem Baba auszugehen. Er staffierte uns mit schönen Kleidern aus Deutschland aus und führte uns, an jeder Hand eine, stolz durch die Stadt. Meistens bummelten wir zuerst über den Marktplatz mit den vielen Gemüseläden, Cafés und Geschäften. Jeder kannte und grüßte uns.

    »Ah, der Papa ist wieder im Lande. Wie geht es dir, Turhan?«
    Dann wurde hier ein wenig geplauscht und dort ein Späßchen gemacht.
    »Na, führst du deine kleinen Prinzessinnen aus? Man sieht sie ja sonst nie. Sie kommen gar nicht aus dem Haus.«
    Fast immer führten unsere Spaziergänge zum Garaj, dem großen Busbahnhof. Das war vielleicht ein aufregender Platz! Ein einziges Kommen und Gehen, ein Trubel fast wie auf einem Volksfest. Auf allen großen Überlandfahrten wurde hier ein Zwischenstopp eingelegt. Manchmal spuckten drei, vier Busse gleichzeitig Massen von Reisenden aus, die nach einer Stunde Pause ebenso lärmend wieder verschwanden, wie sie gekommen waren.
    An den Obstständen gab es die größten und süßesten Pfirsiche, und natürlich bekamen wir auch Eis und in der Gaststätte einen Teller mit Lokum und klebrig-süßem Baklava . Oft hatten wir hinterher Magendrücken von den vielen Leckereien und mussten uns die Bäuche halten, so vollgefuttert waren wir.
    Vater ging immer zum Garaj, wenn er in Susurluk war. In den Männercafés traf er seine alten Freunde wieder und tauschte Neuigkeiten mit ihnen aus. Nach wie vor galt er als angesehener Mann. Einer von den Deutschländern eben, die für türkische Verhältnisse sehr viel Geld verdienten. Und er genoss es, seine Zwillinge zu präsentieren. Wir waren seine beiden Püppchen, und natürlich benahmen wir uns so artig, wie wir nur konnten. Auf dem Nachhauseweg kaufte er uns Geschenke. Damit wir alle drei auch wirklich genau gleich schön waren! Hatte er einen Hut auf,
bekamen auch wir Hüte. Und da er selbst immer Ringe trug, sorgte er dafür, dass auch jede von uns einen tragen konnte.
    Ich habe es so geliebt, an der Hand meines Vaters durch die Straßen zu flanieren! Es fühlte sich großartig an, von diesem schönen, starken Mann geführt zu werden. Kaum zu Hause angelangt, wartete ich nur darauf, auf seinem Schoß sitzen zu dürfen. Wenn er seinen Arm um mich legte, fühlte ich mich so unendlich geborgen. Er war so groß, dass mein ganzer Körper in seinen Armen förmlich versank. Nie wieder habe ich mich so beschützt gefühlt. Ich konnte einfach nur ein kleines, in seinen Papa verliebtes Mädchen sein und an seiner Haut schnuppern. Sein türkisches Eau de Cologne - ich verschweige geflissentlich, was ich heute davon halten würde - verband sich so perfekt mit dem Geruch seiner warmen Haut.
    Ehrlich gesagt, habe ich immer gehofft, dass mein Vater mich mehr liebt als Hatice. Wenigstens er sollte mich bevorzugen. Der einzige Mensch in 16 Jahren, der mir das Gefühl gab, dass er mich wirklich sah - und gern sah! Nach unseren tränenreichen Abschieden setzte ich mich immer an mein Fenster und machte die Flügel so weit auf wie es nur ging. Mein Wunschgebet war dann immer dasselbe:
     
     
    Lieber Gott, wenn ich einmal groß bin, möchte ich genauso schön und strahlend werden wie mein Papa. Bitte mach, dass ich auch so kostbare Kleider tragen kann wie er und dass die Leute genauso bewundernd über mich reden. Danke, lieber Gott. Deine Ayşe.

»Das Fleisch für dich, die Knochen für mich«
    D işini sikmak - die Zähne zusammenbeißen , womöglich ein Leben lang: das mochte bei anderen funktionieren, aber nicht bei einem »so stolzen und sturen Kind«, wie ich es wohl war. Alle meine Bemühungen, durch Anpassung

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