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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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meinem Vater, und ich halte sie für ausgesprochen verlässlich, weil er darin nicht als glänzender Held dasteht,
sondern als ganz normaler Mensch mit Licht und Schatten in seiner Seele.
     
    Unsere älteste Schwester Aynur ist gerade ein paar Monate alt, da kommt es zum Eklat. Irgendein falscher Handgriff meiner Mutter, und Babanne gerät außer sich.
    »Ich habe mir das jetzt lange genug angeschaut. Du kannst nichts, und du bist nichts. Geh mir aus den Augen!«
    Meine Mutter hat die Tirade, wie immer wohl, regungslos über sich ergehen lassen und will schon das Feld räumen. Babannes Gezeter aber hat meinen Vater angelockt, der gerade in der Nähe ist. Sein plötzliches Erscheinen puscht Babanne noch weiter hoch, und nun geht es richtig zur Sache.
    »Für meinen Turhan bist du einfach nicht gut genug«, schreit sie ihrer Schwiegertochter nach. »Turhan hat weiß Gott etwas Besseres verdient als dich!«
    Und dann der folgenschwere Satz:
    »Nimm dein Kind und geh dahin zurück, wo du hergekommen bist!«
    Und Turhan? Schaut betreten zu Boden und sagt kein Wort.
    Gedemütigt packt Muazzez ihre Koffer. Was sie in diesem Moment wohl gefühlt haben mag? Sie ist in allen Ehren verheiratet worden, hat stets Pflichten erfüllt, und nun das. In Schimpf und Schande zur eigenen Familie zurückkehren zu müssen. Mit einem Säugling auf dem Arm. Und alle schauen zu! Selbst ihr geliebter Mann …
    Doch damit war Muazzez keineswegs von der Bildfläche verschwunden. Und nein, Baba hat seine große Liebe nicht
verraten, obwohl er wie Wachs in den Händen seiner Mutter war. Doch wie sagt man? Balmumunu yogururken parmaklarinin sıcak olmali fakat dikkat et mum isigi sıcakliginda - wenn du Wachs knetest, sollten deine Finger warm sein, aber nicht so heiß wie eine Kerzenflamme. Und dieses Mal, dieses eine Mal, hatte Babanne den Bogen überspannt. Mit beträchtlichen Konsequenzen für sie selbst. Denn die Geschichte geht noch weiter.
    Kaum war seine geliebte Muazzez weg, begriff Turhan, was er getan oder vielmehr unterlassen hatte. Die Pein seines schlechten Gewissens wurde nur vom Schmerz der Sehnsucht nach Frau und Kind übertroffen. Er konnte nicht mehr klar denken, sprach unablässig von seiner Familie und wurde vor Kummer immer dünner. Liebeskrank! Und seine Mutter? Wenn schon nicht die Achtung vor seinen Gefühlen, so untergrub allmählich doch die wachsende Sorge um die Gesundheit ihres Lieblingssohnes ihren Willen zur absoluten Macht im Hause. Es dauerte ein ganzes Jahr, aber schließlich lenkte sie ein und gab ihrem Sohn die Erlaubnis, seine Frau zurückzuholen.
    Offenbar hatten die jungen Leute ihre Lektion gelernt. Von nun an passte kein Blatt Papier mehr zwischen sie. Babanne spürte wohl, dass ihr Sohn ihr zu entgleiten drohte, und lockerte den festen Griff, in den sie ihre Schwiegertochter genommen hatte, wenigstens so weit, dass massive Konflikte von da an ausblieben. Doch es war zu spät. Sie hatte sich die Suppe eingebrockt, und nun musste sie sie auch bis zur Neige auslöffeln.
    Mein Vater hat nie ausdrücklich einen direkten Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und seinem Wegzug
nach Deutschland hergestellt. Der muss aber doch bestanden haben. Denn finanziell hätte er es nicht nötig gehabt, seine geliebte Heimat zu verlassen. Welchen Grund also kann es für einen bodenständigen Familienmenschen wie ihn sonst gegeben haben, als die Sorge um seine Ehe?
    Turhan und Muazzez wagten ein großes Abenteuer. Für Babanne war es eine Katastrophe. Mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln versuchte sie, ihren Lieblingssohn zurückzuhalten. Und in psychologischen Dingen war sie eine große Strategin! Baba hat sehr lebendig davon erzählt.
    Mutterlist Nummer eins: dem Sohne schmeicheln.
    »Du hast es doch gar nicht nötig, dir im Ausland einen Job zu suchen. Junge, du bist nicht dafür geboren, dich hinten anzustellen.«
    Mutterlist Nummer zwei: seinen inneren Pascha kitzeln.
    »Wir besitzen so viele Felder! Du verpachtest einige und kannst von den Erträgen deine Familie ernähren.«
    Mutterlist Nummer drei: ihm mit großzügiger Geste beschränkte Autonomie anbieten.
    »Du kannst dir auf einem unserer Grundstücke ein Haus bauen, dann hast du dein eigenes Reich …«
    Schließlich Nummer vier, die Mutter aller Mutterlisten: ihm ein schlechtes Gewissen machen.
    »Bleib bitte hier, wir brauchen dich doch! Was sollten wir ohne dich tun?«
    Ja, sie machte es ihm richtig schwer! Aber er wollte einfach nur noch weg. Nein, er

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