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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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dieses Gefühl, einfach nicht erwünscht zu sein? Keine Freude, keine Zuwendung, keine Aufmerksamkeit. Schon wieder war ich ein Anhängsel, nein schlimmer: Ich war auf dem besten Weg, das schwarze Schaf der Familie zu werden.
    Was mich vollends verwirrte: Auch mein über alles bewunderter und geliebter Vater schien sich nun gegen mich zu stellen. So streng, so lieblos, so abweisend kam er mir
vor. Ich verstand die Welt nicht mehr! Als Kleinkind hatte man mich abgeschoben, und jetzt, nach 16 Jahren, nahm man mich endlich wieder auf, wollte mich aber allem Anschein nach gar nicht. Und ich vermisste Hatice! Ihr hätte ich mein Leid klagen können. Sie hätte mir zugehört. Nach langer Zeit wurde mir wieder einmal so richtig bewusst, was ich doch an ihr hatte.
    Spätabends schlich ich mich heimlich in die Wohnung zurück, bereitete mein Lager und war noch lange wach. Yaǧmurdan kaçarken doluya tutulmak - vor dem Regen fliehen und in den Hagel geraten! Da war ich nun, im Wunderland meiner Träume, und alles war so ganz anders, als ich es mir ersehnt hatte. Zwischen Ohnmacht und Trotz, zwischen Verzweiflung und Dickschädligkeit hin und her schlingernd wie ein Schifflein im Sturm, war ich dennoch alles andere als gebrochen. Tief in mir brannte der Wunsch nach Leben - und nach Freiheit.
     
    Endlich! Umzug in die neue Wohnung. Ein türkisches Landei kommt endgültig in der deutschen Großstadt an: in einem neu errichteten riesigen Wohnblock mit Bewohnern aus aller Herren Länder. Endlich mehr Platz für unsere vielköpfige Familie. Ein großes Wohn-Esszimmer, vier Schlafzimmer und zwei Bäder. Endlich durchatmen! Cavidan und ich sind nun zu zweit in einem Zimmer. Schluss mit Schlafsofa! Zum ersten Mal im Leben ein richtiges Bett für mich ganz allein! Und ein eigener Schrank! Dieses unbeschreibliche Hochgefühl kann sich wohl nur jemand vorstellen, für den das Wort »Privatsphäre« fast 17 Jahre lang eine hohle Phrase war.

    Doch immer noch wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich in meiner Familie nicht den Nährboden erhalten würde, den ich brauchte, um in Deutschland Wurzeln schlagen zu können.

Die eine Schule fürs Lesen, die andere fürs Leben
    Frankfurt, im Jahr 2008
     
     
     
     
    C avidan, du warst schon ein gemeines Biest, damals. Weißt du das eigentlich?«
    Immer wenn ich wieder einmal in Frankfurt bin, verbringe ich einige Zeit mit meiner jüngeren Schwester. Heute gehen wir am Mainufer spazieren und genießen es, dass sich hier in den letzten Jahren ein hässliches Abrissviertel zu einer sympathischen Flaniermeile mit fast mediterranem Flair gewandelt hat.
    Cavidan tut natürlich ganz unschuldig.
    »Ich, ein Biest? Das Biest warst doch du! Komm, wir setzen uns und nehmen einen Kaffee.«
    Ich gehe auf ihren Vorschlag ein, und wir machen es uns auf den Liegestühlen eines »Strandcafés« gemütlich, um uns etwas aus den alten Zeiten zu erzählen und Neuigkeiten auszutauschen.
    Cavidan ist neben Hatice und mir diejenige aus unserer Familie, die in Deutschland die tiefsten Wurzeln geschlagen hat. Sie wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich sage: In manchem ist sie sogar »deutscher als deutsch«. Geheiratet hat sie einen Flugzeugingenieur, der aus Frankfurt stammt und ein astreines Hessisch spricht. Die Eigentumswohnung
der beiden - längst abbezahlt natürlich - bekundet den Lebensstil des Paares: eine lässige Mischung aus Designermöbeln und Antiquitäten. Die Küche in hellem Holz, mit mediterranem Steinboden. Das Kinderzimmer so praktisch und durchgeplant wie im Musterkatalog. Der sechsjährige Sohn heißt Moritz und wird womöglich ein Einzelkind bleiben. Über die Erziehung möchte ich mich hier ausschweigen, da meine Schwester andernfalls so reagieren würde wie eine echte Türkin: Das gehört unter keinen Umständen in die Öffentlichkeit! (Dabei bin ich der Meinung, du machst das richtig gut, meine Liebe!)
    Was meine hervorragend assimilierte Schwester sicher gern lesen wird: Sie ist Mitglied im Elternbeirat der Grundschule, trennt sorgfältig den Müll, kauft in Bioläden ein und kocht überwiegend vegetarisch. Deshalb weiß ich auch, wie ich mich jetzt für ihre kleine Retourkutsche von eben rächen kann. Wir studieren gerade die Speisekarte und ringen mit uns, ob wir auch etwas essen sollen.
    »Guck mal, hier ist auch was für unsere Tofu-Türkin«, ziehe ich sie auf: »Fitness-Salat. Die gebratenen Putenstückchen kannst du ja mir geben.«
    Sie verzieht keine Miene, sondern bringt unser

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