Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
schauen. Was wir bestimmt sehr komisch gefunden hätten, wenn sie dabei nicht so ernst gewesen wäre.
»Sehe ich jetzt wirklich aus wie Oma?«, fragte ich seinerzeit auch sofort zurück.
Aber es kann eben niemand aus seiner Haut heraus! Und wenn man so eine Großmutter hatte, dann wirkt das wohl unvermeidlich nach. Durch meine innere Verbindung zu unserer Babanne kommt es wohl auch, dass ich im Grunde keinen Unterschied mache zwischen Wünschen und Beten .
Was nun meinen Istanbuler Wohntraum betrifft, ist jetzt so viel darüber gesagt worden, dass ich gut und gern auch noch berichten kann, dass in meiner Nachttischschublade ein Papierchen mit folgendem Text liegt:
Liebes Universum,
ich wünsche mir eine Wohnung in Istanbul. Bitte ein Drei-Zim-
mer-Apartment mit Dachterrasse und Blick auf den Bosporus.
Vielen lieben Dank, Ayşe
Dieser Zettel ist weder zusammengefaltet noch versteckt. Ich habe den Wunsch noch nicht manifestiert, weil er noch zu unausgegoren ist. Solange ich nicht hundertprozentig sicher bin, dass ich das, was auf einem Zettel steht, ganz tief im Innern auch wirklich möchte, warte ich erst einmal ab. Und da ich den Zettel noch nicht mit meiner persönlichen Energie aufgeladen habe, kann ich jetzt hier auch ganz frank und frei davon sprechen! Noch handelt es sich dabei um ganz normale Gedanken, nicht etwa um »Magie«. Oder um »Beten«. Oder um »Wunsch-Manifestation«. Wie immer man »es« nennen will!
Aber ja, ich hätte schon gern wieder ein Bein in meiner türkischen Heimat. Allerdings möchte ich dann in Istanbul wohnen. Nicht nur, weil sich die Stadt in den letzten Jahren zu einer Metropole von europäischem Rang entwickelt hat,
sondern vor allem auch, weil sie immer noch ihren unverwechselbaren orientalischen Charme ausstrahlt. Beides zusammen ergibt eine äußerst reizvolle Mischung. In der malerischen Altstadt mit ihren verschrobenen Häusern, ihren markanten Gerüchen und dem brodelnden Leben in den engen, verwinkelten Gassen sind einige moderne Quartiere mit einer schillernden Szene entstanden. Mit ihrer asiatischen Hälfte auf der einen und ihrer europäischen auf der anderen Seite des Bosporus vereinigt die Stadt jene zwei Welten in sich, die auch ich in mir trage.
Alles ist dort so wunderbar lebendig, die Menschen so temperamentvoll und extrovertiert. Nicht zuletzt die Frauen profitieren von der gegenseitigen Durchdringung westlicher und östlicher Kultur, weil sie hier auch in einer vom Islam geprägten Lebenswelt viele Freiheiten genießen. Und sie nutzen sie, indem sie Mut beweisen, sich schön zu machen und ihre Weiblichkeit zu zeigen.
Und dann die türkische Küche! Selbst als latent Magersüchtige komme ich jedes Mal um mindestens ein, zwei Kilo schwerer von dort zurück. Die Fülle des Lebens wird beim Tafeln mit allen Sinnen zelebriert. Ich kann mich zwar schon an den Mezze , den kalten und überwiegend vegetarischen Vorspeisen, genussreich satt essen - wer es aber deftig oder süß mag, wird nicht bei ihnen stehen bleiben.
Ja, ich denke wirklich, ich will dort ein eigenes Zuhause. Wie auch unsere Mutter. Inzwischen 70-jährig, wohnt sie nun seit 13 Jahren in Istanbul.
Unsere Eltern konnten sich tatsächlich ihren Traum verwirklichen, zusammen in die Heimat zurückzukehren. Immerhin neun Jahre lang war es ihnen vergönnt, dort gemeinsam
den Ruhestand zu genießen. Dann starb mein Vater sehr überraschend, mit erst 71 Jahren. Niemand hätte erwartet, dass es so schnell gehen könnte, keiner war darauf vorbereitet. Ich war wie vom Donner gerührt, als ich den Anruf mit der Nachricht von seinem Herzinfarkt erhielt. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, ihm am Sterbebett die Hand halten zu können, aber ich kam einen Tag zu spät.
Nach dem Eintritt ins Rentenalter, mit 63 Jahren, war Baba, damals noch agil und lebensfroh, nicht mehr zu halten. »Zurück zu den Wurzeln« war sein Motto, und ohne Zögern brach er seine Zelte in Deutschland ab. Wenn es ihm schon nicht möglich war, als gemachter Mann in seine Heimat zurückzukehren, so konnte er sich jetzt doch ins gemachte Nest setzen - dorthin, wo ihn seine Mutter eigentlich immer haben wollte. Von Herzen gönne ich es meinen Eltern, die ihr Leben lang schwer gearbeitet haben, dass sie einen Teil des Familienerbes für sich nehmen und ihr Leben einfach nur noch genießen konnten. Turhan gehörten nun mehrere Wohnungen in Istanbul, und eine davon richtete er für sich und Muazzez her.
»Deinetwegen muss ich mir den ganzen
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