Freiheit statt Kapitalismus
Unterschied ist relevant: Während man Lehman untergehen lassen konnte, wäre das bei einer Bank, die das Geld von Millionen Kleinsparern verwaltet, undenkbar gewesen. Ein stabiler Anker im Massengeschäft bedeutet damit zugleich eine kostenlose staatliche Rückversicherung: Was immer eine solche Bank treibt, sie kann sich darauf verlassen, dass der Staat sie niemals fallen lassen wird.
Eine solche Staatshaftung im Rücken gibt nicht nur ein gutes Gefühl. Sie ist auf dem Finanzmarkt bares Geld wert. So vermerkte die
Financial Times Deutschland
, dass es die Megainstitute sehr viel billiger komme als kleinere Banken, sich zusätzliches Eigenkapital zu verschaffen: wegen ihrer »Systemrelevanz« und der damit verbundenen Staatshaftung. Das Blatt schreibt:
»Wie selbstverständlich dieser Staatsbonus mittlerweile in der Finanzwelt einkalkuliert wird, zeigt ein Beispiel aus dieser Woche. Da lobte die Rating-Agentur Standard & Poor’s die geplante Mehrheitsübernahme der Postbank durch die Deutsche Bank mit der Begründung, der neue Bankenriese werde noch systemrelevanter, weil die Bundesregierung im Notfall noch eher zur Hilfe bereitstehe. Für die Banken bringt so eine Einschätzung finanzielle Vorteile, weil sie sich billiger refinanzieren können.« 139
Tatsächlich hatte die Deutsche Bank keine Not, sich im Herbst 2010 mal eben eine Kapitalerhöhung von 10 Milliarden Euro zu guten Konditionen zu beschaffen.
Abzocke durch Konzentration
Die zwei großen Fusionen der letzten Jahre, die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank und der Kauf der Postbank durch die Deutsche Bank, führen beide zu einer Erhöhung der »Systemrelevanz« der betreffenden Institute. Insbesondere die Postbank als größte deutsche Privatkundenbank bringt der Deutschen Bank auf einen Schlag wieder ein festes Standbein im Privatkundengeschäft, das sie über Jahre vernachlässigt hatte. Nicht vergessen werden sollte auch, dass es sich bei der Postbank einst um eine Bank gehandelt hat, die sich zu hundert Prozent in öffentlichem Eigentum befand. Die schleichende Privatisierung des deutschen Bankensystems ist also bereits kräftig vorangekommen.
Folge der Übernahmen sind eine deutlich höhere Konzentration im Privatkundenmarkt und damit tendenziell schlechtere Konditionen für den Kunden. Es gibt jetzt neben Sparkassen und Genossenschaftsbanken faktisch nur noch zwei große Spieler: die Commerzbank und die Deutsche Bank. Beide werden sich nicht allein darauf konzentrieren, ihren Marktanteil von zusammen knapp 30 Prozent auszudehnen, sondern sie wollen vor allem ihre Margen nach oben treiben. Damit steigt ihr Interesse an einer Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Sektors.
Von Italien abgekupfert
Genau darauf zielte der Plan des Sachverständigenrates (SVR) von 2008, der im Übrigen nicht einmal neu, sondern zu wesentlichen Teilen einfach von Italien abgekupfert war. Wie vom SVR vorgesehen, wurden die öffentlichen Anteile an den Sparkassen in Italien bereits in den Neunzigern zunächst in Stiftungen eingebracht und dann schrittweise privatisiert. Die Profiteure dieser Entwicklung sind heute offenkundig. Die Sparkassen sind weithin verschwunden und wurden durch private Großbanken abgelöst. Insgesamt sank der Marktanteil des öffentlichen Bankensektors infolge dieser Entwicklung von 75 Prozent Anfang derneunziger Jahre auf nur noch 10 Prozent. Parallel dazu explodierten in Italien die Gebühren für Bankdienstleistungen. Im Ergebnis kostet ein Girokonto heute doppelt so viel wie im europäischen Durchschnitt.
Ein anderes Beispiel ist Großbritannien. Auch hier hat die Privatisierung der Sparkassen dazu geführt, dass der Markt durch wenige Großbanken dominiert wird. Ein Ergebnis ist, dass etwa 3,5 Millionen Haushalte über kein Girokonto mehr verfügen, weil sich Sozialfälle an den Bankschaltern unter Renditegesichtspunkten eben nicht rechnen. Ein anderes Ergebnis ist, dass der britische Bankensektor nach der Finanzkrise zu den desolatesten gehört. Auch die rapide Deindustrialisierung Großbritanniens in den zurückliegenden 15 Jahren, für die es natürlich verschiedene Ursachen gibt, dürfte mit dem Wandel eines Großteils der britischen Banken in reine Zockerbanken zu tun gehabt haben. Alles Entwicklungen, die sich nicht gerade als Vorbild anbieten.
Die EU-Kommission killt das Geschäftsmodell der Landesbanken
Dessen ungeachtet ist der Sachverständigenrat bei weitem nicht der einzige Verbündete, den die
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