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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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private Bankenlobby für sich einspannen kann. Eine weitere Kumpanin, die den Feldzug gegen die öffentlich-rechtlichen Institute von jeher nach Kräften befördert hat, ist die EU-Kommission. Nach dem bewährten Prinzip, dass die Kette sich am besten an ihrem schwächsten Glied zerbrechen lässt, hatte sie sich von Beginn an vor allem auf die Landesbanken eingeschossen. Im Zuge dessen hat sie erfolgreich die Bedingungen dafür mitgeschaffen, dass die meisten Landesbanken sich heute in einem beklagenswerten Zustand befinden.
    Der Krieg begann bereits in den neunziger Jahren. Zunächst machten die Privatbanken den Landesbanken mit diversen Beihilfeverfahren das Leben schwer. Zum Ende des Jahrzehnts hatten sie schließlich in Brüssel ein Verfahren gegen die Staatshaftung für die deutschen Landesbanken im Allgemeinen angestrengt, die in Form der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast damals noch juristisch existierte. Die Privatbanken argumentierten, dass die Staatshaftung als »staatliche Beihilfe« zu bewerten und mit dem europäischen Wettbewerbsrecht nicht zu vereinbaren sei. Natürlich war das Ganze eine ungeheureHeuchelei, da die privaten Großbanken besagte Staatsgarantie (nicht formaljuristisch, aber faktisch) ja ebenfalls genießen und ihr, wie wir gesehen haben, heute ihr Überleben verdanken.
    Für die Landesbanken, die im Hinblick auf ihre Größe nicht per se als »systemrelevant« gelten können, bedeutete die Staatshaftung: günstige Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt und die Befreiung von Renditedruck. Beides entfiel mit der Entscheidung der EU-Kommission vom Juli 2001, die den deutschen Staat verpflichtete, die Haftung für die Landesbanken bis Juli 2005 aufzuheben.
    Langweilige Staatsbanken
    Mit dieser Brüsseler Entscheidung war dem bisherigen Geschäftsmodell der Landesbanken die Grundlage entzogen. Dass in den Folgejahren – und bis auf wenige Ausnahmen eben nicht früher! – die Staatsbanker ebenfalls das große Zockerrad zu drehen versuchten, war kein Zufall, sondern Ergebnis dieser Situation. Was hatten die Landesbanken zuvor gemacht? Über Jahrzehnte war es ihre Aufgabe gewesen, die Entwicklung ihrer Regionen zu fördern, Infrastrukturprogramme zu finanzieren, größere Mittelständler mit Krediten zu unterstützen und als Girozentrale der ihnen angeschlossenen Sparkassen zu fungieren. Das waren hochrespektable und wirtschaftlich vernünftige Geschäftsfelder, aber keine, mit denen man Renditen erwirtschaften konnte, die der heutige Kapitalmarkt für angemessen hält.
    Das war so lange kein Problem, solange die Landesbanken dank der Staatshaftung über Spitzenratings verfügten, die ihnen die Möglichkeit zu zinsgünstiger Geldbeschaffung sicherten. Denn außer den Reservekonten der Sparkassen und der Kassenhaltung der öffentlichen Hand verfügten die Landesbanken nie über größere Mengen an Spargeldern. Sie waren daher darauf angewiesen, sich das Geld über den Kapitalmarkt zu beschaffen.
    Mit der Entscheidung der EU-Kommission von 2001 änderte sich die Situation grundlegend. Fortan konnten die Landesbanken wie jede x-beliebige kommerzielle Bank gute Ratings nur noch durch höhere Renditen erreichen. Und die gestiegenen Refinanzierungskosten erzwangen größere Profitabilität, wollten die Landesbanken nicht insMinus rutschen. Sie mussten also nach neuen Geschäftsfeldern suchen, die sich als Renditetreiber anboten. Ihre Anfälligkeit für Spekulation, Zockerei und das Horten von Giftpapieren erklärt sich also aus der gleichen Motivation wie bei den Privatbanken, nur dass die Ursache eine andere war: Die Renditejagd erfolgte nicht auf Druck der Eigentümer, sondern um die teurer gewordene Refinanzierung zu kompensieren.
     
    Insofern ist die traurige Entwicklung, die die Landesbanken seither genommen haben, nur ein weiterer Beleg dafür, wohin überzogene Renditeansprüche im Finanzsektor führen. Gegen Staatsbanken spricht das nicht, wohl aber gegen ihre Kommerzialisierung.
     
    Alexander Dill weist in seinem Buch
Der große Raubzug
darauf hin, dass die WestLB im Jahr 2001 mit einer Bilanzsumme von 305 Milliarden Euro, eigenen Pfandbriefen und Schuldobligationen von 5 Milliarden Euro und Kommunalobligationen von 64 Milliarden Euro, die sie satzungsgemäß für ihre Mitglieder verwaltete, noch »ein weitgehend gesundes Institut« gewesen ist. 140 Dabei war die WestLB eine der wenigen Landesbanken, die auch damals schon auf dem internationalen Parkett herumtanzten und etwa

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