Freiheit statt Kapitalismus
in der Londoner City Geschäfte machten, bei denen der öffentliche Auftrag, zurückhaltend gesagt, schwer erkennbar war. Die meisten anderen Landesbanken sind erst nach der Brüsseler Entscheidung unter die Zocker gegangen und haben ihr altes Geschäftsmodell dann grundlegend verändert.
Die SachsenLB vollzog ihre Wende in Richtung Ackermann Ende 2001 mit der Ansage, Kreditgeschäfte seien nicht mehr hinreichend rentabel, daher steige man jetzt ins »Structured Finance« ein. Firmengeschäfte sollten fortan nur noch mit von Rating-Agenturen bewerteten Firmen stattfinden; klassische Firmenkredite sollte es nicht mehr geben. 141 2003 fusionierten die Landesbanken von Hamburg und Kiel zur HSH Nordbank und stiegen groß ins verbriefte Geschäft ein. Die BayernLB bekam im März 2002 einen neuen Gesetzesrahmen, nach dem sie ausdrücklich Bankgeschäfte aller Art betreiben darf. Auch die WestLB fuhr ihr »Investmentbanking« jetzt richtig hoch. Dabei bestätigte ihr Sprecher 2005, dass das »neue Geschäftsmodell« den Zweck verfolge, das Rating der WestLB zu verbessern. 142
Ein weiteres Problem der Landesbanken bestand natürlich darin, dass Staatsbanken mit dem ausdrücklichen Ziel der Regionalförderung Landesregierungen voraussetzen, die tatsächlich Strukturpolitik mit klaren Schwerpunkten und Zielen betreiben. Auch das war im neoliberalen Wettbewerbswahn und Dumpingwettlauf weitgehend abhandengekommen. Aus beiden Gründen hatten die Landesbanken fortan tatsächlich kein auch nur ansatzweise überzeugendes Geschäftsmodell mehr.
EU-Kommission mit zweierlei Maß
Im Streit um die Berliner Bankgesellschaft versuchte die EU-Kommission zum ersten Mal, die Privatisierung einer Landesbank, nämlich der Landesbank Berlin (LBB) und damit zugleich der Berliner Sparkasse, zu erzwingen. Der Sparkassen- und Giroverband vereitelte diesen Plan, indem er tief in die gut gefüllten Sparkassentaschen griff und alle Mitbewerber durch ein exorbitant hohes Kaufgebot für die LBB ausstach. Seither gehört die LBB als einzige Landesbank ausschließlich dem Sparkassenlager, und die Privatisierungsbetreiber mussten auf die nächste Gelegenheit warten.
Infolge der Finanzkrise sind sie jetzt gleich an mehreren Stellen fündig geworden. Im Fokus steht die WestLB, die durch Fehlspekulationen und ein ausgeprägtes Engagement in amerikanischen Schrottpapieren tief in die Miesen gerutscht ist und mit einer Kapitalhilfe von 5 Milliarden Euro aufgefangen werden musste. Staatlich gestützt wird zudem eine von der WestLB gegründete Bad Bank, in die das Institut mehr oder minder zweifelhafte Papiere im Umfang von 77 Milliarden Euro ausgelagert hat. Wegen der erhaltenen öffentlichen Hilfen und Garantien hat die WestLB seit 2008 erneut Ärger mit der EU-Kommission. Mit derselben Kommission wohlgemerkt, die die bislang unverzinste Stille Einlage des deutschen Staates in Höhe von 16,4 Milliarden Euro bei der privaten Commerzbank ohne Bauchgrimmen durchgewinkt hat. Der frühere Vorstandschef der WestLB, Heinz Hilgert, beschwerte sich denn auch:
»Rein formal ärgern wir uns schon darüber, dass staatliche Rettungspakete in Europa im Umfang von 3000 Milliarden Euro von Brüsselgenehmigt wurden – nur unsere 5 Milliarden Euro, also nur 0,16 Prozent dieser Rettungspakete, werden als Sonderfall behandelt.« 143
Das ursprünglich von der Landesbank vorgelegte Sanierungskonzept, das Stellenstreichungen und die Rückbesinnung auf Kerngeschäftsfelder vorsieht, wurde von Brüssel umgehend als unzureichend abgelehnt. Ursprünglich hatte die Kommission den Plan, die WestLB unter Druck zu setzen, durch Übernahme mindestens einer Sparkasse unmittelbar ins Privatkundengeschäft vorzudringen. Da die Kommission gleichzeitig einen Eigentümerwechsel bei der Landesbank verlangte, wäre damit auch die Sparkasse in privater Hand und der Einbruch in die öffentlich-rechtliche Säule auf den Weg gebracht. Allerdings ist die komplette Schließung und Abwicklung der WestLB inzwischen die wahrscheinlichere Variante.
Möchtegern-Merrill-Lynchs
Die Landesbanken sind aber auch deshalb ein perfektes Einfallstor für die Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Sektors, weil ihr aktuelles Geschäftsmodell so überaus zweifelhaft ist. Wozu eine öffentliche Bank wie die WestLB sich ein spekulatives Portfolio zusammenkauft, das von Einlagen in Hedge-Fonds auf Jersey bis zu Private-Equity-Beteiligungen in Kanada reicht, lässt sich ebenso schlecht begründen wie die
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