Freiheit statt Kapitalismus
Eigentum an einem Unternehmen ein fortwährendes Aneignen von neuen Produktionsmitteln und Produktionsresultaten durch den Eigentümer darstellt. Unter»Neutralisierung des Kapitals« versteht er die Übertragung dieses Kapitalzuwachses auf eine Art Stiftung im Eigentum der Belegschaft. Dieses Eigentum ist nicht individuell veräußerbar.
Der Vorteil für das Unternehmen ist, dass es so keinem Ausschüttungsdruck mehr unterliegt und die Gewinne intern verwenden kann. Der Vorteil für die Belegschaft besteht darin, dass mit der Eigentumsübertragung auch die Entscheidungskompetenz zu strategischen Fragen der Unternehmenspolitik den Eigentümern schrittweise aus der Hand genommen wird und an die Mitarbeiter übergeht.
Dieses Konzept unterscheidet sich also grundlegend von dem heute üblichen Verständnis von Belegschaftsbeteiligung, die in der Regel keinen höheren Zweck verfolgt als den, die Mitarbeiter über eine Handvoll Aktien in die Renditelogik der Eigentümer einzubinden. Dabei wird penibel darauf geachtet, dass der Gesamtanteil der Mitarbeiter so gering bleibt, dass sich daraus keinerlei Einfluss auf die Unternehmenspolitik ergibt. Eine besonders perfide Form von Mitarbeiterbeteiligung hat die Bertelsmann AG entwickelt, an der die Beschäftigten nur in Form »stiller Gesellschafter« teilhaben können. »Still« heißt: ohne jedes Mitbestimmungsrecht.
Wenn hier Belegschaftseigentum als Alternative zum Familien- oder Aktieneigentum vorgeschlagen wird, geht es ausdrücklich nicht darum, den Beschäftigten einige Krümel aus dem Profitkuchen zukommen zu lassen, sondern es geht um die Entscheidungsmacht im Unternehmen. Im Zentrum stehen nicht primär Fragen der Verteilung, sondern der Produktion: Es geht um eine Weise der Produktion, die ihre ureigene Aufgabe, den allgemeinen Wohlstand zu steigern, besser erfüllt als die heutige.
Für Beschäftigte wäre beispielsweise die Strategie, die Unternehmenssubstanz durch kurzfristige Ausschüttungen – in diesem Fall: überhöhte Löhne – zu plündern, so dass die Existenz des Unternehmens in Gefahr gerät, völlig irrational. Denn während sich wenige Anteilseigner auf diese Art ein Vermögen verschaffen können, das ihnen auch nach dem Untergang des Unternehmens ein Leben in Wohlstand sichert, wäre das für die Beschäftigten definitiv nicht der Fall. Ausgeschlossenwerden kann auch, dass Beschäftigte erwägen würden, ihr Unternehmen an einen Private-Equity-Hai zu verschleudern.
Natürlich sind die Interessen der Mitarbeiter von Unternehmen nicht automatisch mit dem Allgemeinwohl identisch. Problematisch kann es auch hier werden, wenn das Unternehmen über allzu große Marktmacht verfügt. Ebenso werden Umweltinteressen in einem mitarbeitergeführten Konzern durchaus nicht im Selbstlauf berücksichtigt. Deshalb sollte die öffentliche Hand in jedem großen Unternehmen mit Marktmacht oder von besonderer ökologischer Relevanz zumindest über eine Sperrminorität verfügen, die den Interessen der Allgemeinheit hinreichende Mitspracherechte sichert. Die Beteiligung von Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen in den Aufsichtsgremien wäre hier ebenso erwägenswert wie in öffentlichen Unternehmen.
Entscheidend sind die Anreize
Das Argument, nur in einem privaten Unternehmen sei der Druck groß genug, um Menschen zu Höchstleistungen anzuhalten, wurde in diesem Buch bereits an vielen Stellen widerlegt. Es wurde gezeigt, dass die heutigen Arbeitsverhältnisse in großen Konzernen die Motivation und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten eher zerstören als fördern. Und wir haben gesehen, dass die Anreize für das Management in eine Richtung wirken, die dem allgemeinen Wohlstand entgegensteht. Öffentliche Unternehmen und Firmen in Belegschaftshand würden Leistung auch dadurch motivieren, dass sie Existenzangst und ruinösen Leistungsdruck aufheben. Sie können dem Management sinnvollere Ziele setzen, als das heute der Fall ist, sie also statt an Renditekennziffern an Kriterien wie Kundenzufriedenheit, Innovationsfähigkeit, Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität und Ähnlichem orientieren. Es spricht daher alles dafür, dass die Produktivität und langfristige Effizienz von Unternehmen in öffentlichem oder Belegschaftseigentum höher ist als die privater und nicht etwa niedriger.
Der amerikanische Sozialwissenschaftler Herbert Simon, der für seine Arbeiten über die Funktionsweise moderner Unternehmen 1978 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet
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