Freiheit statt Kapitalismus
um einen Kredit nachsuchte, wurde übrigens nicht einfach nur davongejagt, sondern ihm wurde statt eines Kredits ebenfalls ein »innovatives« Finanzprodukt angeboten. Besonders beliebt für diesen Zweck waren im Hause Ackermann sogenannte »Spread Ladder Swaps«. Diese kleinen Giftpapiere sollten angeblich die Zinslast des Käufers reduzieren, erwiesensich aber oft als böse Kostenfresser, die manchen Inhaber in den Ruin getrieben haben. So ließen sich die Stadtwerke Pforzheim einen solchen Swap aufschwatzen, der Mehrkosten von 3,9 Millionen Euro verursachte und das kleine Werk in größte Schwierigkeiten brachte. Der Prozess gegen die Deutsche Bank zieht sich bis heute zäh durch die Instanzen. Auch einige italienische Kommunen haben das Finanzhaus aus gleichem Grund verklagt.
Der ehemalige US-Notenbankchef Paul Volcker vertritt die Meinung, dass die einzig nützliche »Finanzinnovation« des letzten Vierteljahrhunderts die Erfindung des Geldautomaten war. Alles andere sei Wildwuchs, ohne wirtschaftlichen Sinn und Verstand. Aber natürlich trotzdem hochprofitabel für die Finanzindustrie.
Das Geschäftsmodell der Sparkassen und Genossenschaftsbanken sah über all die Jahre grundlegend anders aus. Bei den Sparkassen machen beispielsweise Interbankenkredite gerade mal ein Viertel aller Kredite aus. Jeder zweite Kredit, der vergeben wurde, ist ein Kredit an Unternehmen oder Privathaushalte mit über fünf Jahren Laufzeit. Und man ist auch deutlich zurückhaltender beim Jonglieren mit Finanzpapieren. Das Wertpapiervolumen in den Büchern der öffentlich-rechtlichen und der Genossenschaftsbanken hat sich gegenüber 1991 nur knapp verdoppelt.
Die Entscheidung der Großbanken, ihr Geld nicht länger in »Fabriken und Kanalbauten« zu versenken und stattdessen auf hochriskante Zockerstrategien zu setzen, war wohlkalkuliert. Mit den üblichen Margen braver Mittelstandskredite wäre man nämlich nie in die hehre Region von 25 Prozent Eigenkapitalrendite vorgestoßen. Und in gewisser Hinsicht hat Blankfein sogar recht: Spekulative Finanzwetten sind nicht nur lukrativer, sondern – für die Bank! – auch weniger »gefährlich« als Firmenkredite: Hat man aufs richtige Pferd gesetzt, winken grandiose Gewinne. Geht es schief, treten die Verluste meist so geballt auf, dass man mit Verweis auf eine »Kettenreaktion« und »Kernschmelze« beim gerade amtierenden Finanzminister vorstellig werden und um Steuerschecks nachsuchen kann. Mit großer Aussicht auf Erfolg, wie die Geschichte zeigt.
Ackermanns Bad-Bank-Idee im Jahr 2003
Im Beanspruchen von Staatsknete waren die Banker noch nie zurückhaltend. Besonders beliebt ist in diesem Zusammenhang die Idee einer staatlich garantierten Bad Bank, also einer öffentlichen Müllverbrennungsanlage, die den privaten Banken den Finanzschrott abnimmt, der aus missglückten Geschäften resultiert und ihnen keine Rendite, sondern nur noch Ärger bringt. Die Idee wurde von dem rührigen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zum ersten Mal 2003 in die Debatte gebracht. Also zu einer Zeit, als noch kaum eine deutsche Bank giftige amerikanische Hypothekenpapiere in ihren Büchern hatte und die Investmentbank Lehman Brothers sich noch bester Gesundheit erfreute.
Im Februar besagten Jahres 2003 hatte Ackermann ein Treffen in Berlin arrangiert, wo im Beisein des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder und diverser Bankenvertreter erörtert wurde, ob der Staat den privaten Banken nicht Problemkredite im Umfang von 50 bis 100 Milliarden Euro vom Hals schaffen könnte. Hintergrund des Treffens war, dass eine Reihe Banken schon damals erhebliche Probleme hatte. Ganz oben auf der Liste der Sorgenkinder stand die HypoVereinsbank (HVB), die später die HypoRealEstate (HRE) von sich abspaltete und damals einen Jahresverlust von 820 Millionen Euro schrieb. Nicht wirklich gut sah es auch im Portfolio der Dresdner Bank aus, die zu dieser Zeit noch zum Allianz-Konzern gehörte. Als einzige Landesbank saß die WestLB mit am Tisch, die sich ebenfalls einige Fehlinvestitionen geleistet hatte. Und offenbar hatte auch die Deutsche Bank Kummer, denn ganz selbstlos dürfte sich Ackermann kaum an die Spitze der Bewegung gestellt haben.
Nach Einschätzung von Experten lag das Volumen notleidender Kredite deutscher Banken, also solcher Kredite, die bereits mehr als 90 Tage nicht mehr bedient worden waren, 2003 bei rund 300 Milliarden Euro. Das war kein Pappenstiel, denn das Eigenkapital aller Banken
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