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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Vermögenstitel oft in außerbilanziellen Vehikeln unterbrachten, wo sie nicht mit Eigenkapital unterlegt werdenmussten. Viele Institute, die entsprechende Papiere kreierten, parkten sie zudem erst einmal in eigenen Fonds oder sogenannten Conduits, bis sie sich weiterverkaufen ließen. So entstand und wucherte mit dem Verbriefungswahn jenes riesige, unübersichtliche und unregulierte System von Schattenbanken, das die Finanzkrise 2007 wesentlich ausgelöst hat.
     
    Der amerikanische Ökonom Nouriel Roubini meint über die Logik dieses Conduit-Wildwuchses: »Das ist ungefähr so, als würde ein Automobilhersteller eine Briefkastenfirma gründen, um seinen Vertragshändlern die nicht verkauften Fahrzeuge abzukaufen.« 28
     
    Die Conduits emittierten ihrerseits kurzfristige Schuldverschreibungen und »bezahlten« mit diesem Geld das Kreditbündel bei der betreffenden Bank. Die »Autos« schienen damit verkauft zu sein, obwohl sie im Eigentum der Briefkastenfirma auf Halde lagen und die kurzfristigen Schulden, mit denen sie bezahlt worden waren, immer von neuem refinanziert werden mussten. Solange das funktionierte, blieb der Schein gewahrt. Problematisch wurde es, als niemand mehr die vor sich hin rottenden Finanzrostlauben mit seinem Kredit finanzieren wollte. In der Regel haftete dann die Bank für deren Zahlungsfähigkeit.
    Die Kreditverbriefungen waren also mit der Ablage in einer Zweckgesellschaft bilanztechnisch zum Verschwinden gebracht, spielten der Bank aber trotzdem schöne Renditen ein – zumindest solange der in ihnen zusammengefasste Kreditpool von den Häuslebauern oder Kreditkartenbesitzern bedient wurde. Diese trickreiche Umgehung der Eigenkapitalvorschriften war natürlich nur möglich, weil die Bankenaufsicht konsequent die Augen vor den mit diesem undurchsichtigen Endlager für toxischen Finanzmüll heraufziehenden Gefahren verschloss.
    Und das, obwohl erst 2001 der US-Energieriese Enron just an solchen außerbilanziellen Spekulationsvehikeln zugrunde gegangen war und dabei die Alterssicherung zehntausender Beschäftigter in Luft aufgelöst hatte. Nach der Enron-Pleite gab es eine kurze weltweite Debatte über die Notwendigkeit strafferer Bilanzierungsregeln auch im Finanzbereich, die aber unter den Klagegesängen der Finanzlobby bald wieder versandete.
    Der entscheidende Unterschied zwischen einem Kredit in den eigenen Büchern und demselben Kredit, verbrieft und abgelegt in einem bankeigenen Conduit, war also, dass er in letzterem Fall in der Bilanz nicht mehr auftauchte und somit auch nicht mehr mit teurem Eigenkapital unterlegt werden musste. Der Nachteil war, dass die Bank dadurch natürlich auch keinen Puffer für Wertverluste hatte und jede größere Abschreibung ihre Existenz gefährden musste.
    Weltweit wurde das Volumen der in solchen Zweckgesellschaften gelagerten Kreditverbriefungen zu Beginn der Krise auf 1,2 Billionen Dollar geschätzt. Ende 2009 waren davon noch 482 Milliarden Dollar übrig. 2003 allerdings lief der Verbriefungsmotor an der Wall Street noch wie geschmiert und die Banken schalteten auf immer höhere Touren. Die Deutsche Bank war da an vorderster Front dabei.
    Wenn SPD-Genossen Wall Street spielen
    Heureka, riefen Hans Eichel, der damalige SPD-Finanzminister, und seine mit Ackermanns Bad-Bank-Problem betrauten Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, als sie sich mit den Finessen dieses Modells vertraut gemacht hatten. 300 Milliarden Euro faule Kredite zum Verschwinden bringen? Und gleichzeitig die Kreditvergabe auch in Deutschland verbessern? Kein Problem. Was die Wall Street kann, können wir schon lange. Wir müssen einfach die Banken motivieren, ihren Müll ebenso fleißig zu verbriefen und weiterzuverkaufen, wie die US-Banken das machen. Und für den Fall, dass nicht jeder verbriefte faule Kredit einen freudigen Abnehmer findet, müssen wir die regulatorischen Vorschriften in Deutschland nach US-Vorbild verwässern, damit das Zeug wenigstens in außerbilanziellen Vehikeln versteckt und unsichtbar gemacht werden kann.
    Gesagt, getan. Noch im selben Jahr 2003 wurde ein Gesetz zur »Förderung von Kleinunternehmen und zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung« durch den Bundestag gebracht, das Kleinunternehmen zwar nicht das Geringste nützte, es den Banken aber deutlich erleichterte, Kreditforderungen zu verbriefen. Darüber hinaus wurden Verbriefungszweckgesellschaften, also die Conduits, gewerbesteuerrechtlich Banken gleichgestellt und damit als

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