Freiheit statt Kapitalismus
profitables Modell überhauptmöglich gemacht. Als später die Scherben zusammengelesen wurden und die Mittelstandsbank IKB wegen des Finanzmülls in ihren Conduits mit 10 Milliarden Euro Steuergeld gestützt werden musste, wies Verdi-Chef Frank Bsirske zu Recht darauf hin, dass sich »der Vorstand der IKB legal verhalten [habe], nachdem die rot-grüne Bundesregierung unter Finanzminister Hans Eichel die Einrichtung von nichtbilanzierungspflichtigen Zweckgesellschaften ermöglicht hat«. 29
Um den Appetit auf Verbriefungen so richtig zu wecken, wurden unter maßgeblicher Mitwirkung der Bundesregierung und bei aktiver Teilnahme der staatlichen KfW noch 2003 eine sogenannte »True Sale Initiative« und im April 2004 das Verbriefungskartell »True Sale International« (TSI) gegründet. »True Sale« steht in der Finanzsprache für das vollständige Übertragen eines Kredits an eine Zweckgesellschaft, also genau das, was die deutschen Banken jetzt massenhaft tun sollten. Gesellschafter der TSI waren dreizehn deutsche Finanzhäuser, darunter die Deutsche, die Dresdner, die Commerzbank und die Hypo-Vereinsbank, also genau jene Kandidaten, die im Februar noch über eine staatliche Bad-Bank-Lösung für ihre faulen Kredite nachgesonnen hatten. Außerdem machten die KfW mit und eine Reihe Landesbanken, die dank ihrer fortan wie Pilze aus dem Boden schießenden Zweckgesellschaften tatsächlich zu den gewünschten staatlichen Bad Banks mutierten.
Der Bundesregierung aus SPD und Grünen lag die Förderung des Verbriefungsirrsinns so sehr am Herzen, dass sie gleich doppelt nähte. Ebenfalls 2003 und mit gleicher Zielrichtung wie die True Sale Initiative wurde die Lobbyorganisation »Initiative Finanzstandort Deutschland« (IFD) ins Leben gerufen, an der sich das Bundesfinanzministerium und die Bundesbank sogar höchstpersönlich beteiligten. Mit von der Partie waren natürlich wieder die deutschen Großbanken, mehrere Landesbanken und die kleine Mittelstandsbank IKB. Internationales Flair erhielt die IFD dadurch, dass auch die großen Wall-Street-Häuser Lehman Brothers, Goldman Sachs, J. P. Morgan und Merrill Lynch der Einladung zur Teilnahme folgten. Offenbar sollten die taffen Investmenthäuser den hinterwäldlerischen Landesbanken beibringen, wie Banking im 21. Jahrhundert funktioniert. Schließlich waren viele Landesbankendamals noch damit beschäftigt, wertvolles Geld auf jene den Goldman-Boss Blankfein so anwidernde Art in »Fabriken und Kanalbauten« zu versenken.
Lauter kleine Bad Banks entstehen
Aber die Schüler waren gelehrig. Eine Landesbank nach der anderen gründete ihr Conduit, meist sogar mehrere und in der Regel im Ausland. Im März 2004 hob ein Team der sächsischen Landesbank im regulationsarmen Dublin die Firmen Ormond Quay, Ellis Quay, Merchants Quay und Eden Quay aus der Taufe, benannt nach Straßen der irischen Hauptstadt. Bereits im Juni 2004 sollen sich allein im Finanzvehikel Ormond Quay Kreditverbriefungen im Wert von 5 Milliarden Euro gestapelt haben. Bis 2008 waren daraus 17 Milliarden geworden. In all ihren Conduits hatte die Landesbank des Freistaats Kreditpapiere im Volumen von sagenhaften 45 Milliarden Euro abgelegt, die sie mit Ausbruch der Krise in den Tod und den sächsischen Landeshaushalt in den Ruin treiben sollten.
Die kleine IKB hatte in ihrem Finanzvehikel Rhineland Funding, das über ein stolzes Eigenkapital von 500 Euro verfügte und im US-Staat Delaware gelistet war, laut einem US-Investorenblog vom August 2007 die »unvorstellbar beeindruckende Menge von Marktpositionen in US-Subprimes in Höhe von 17 Mrd. Euro (23 Mrd. Dollar) angehäuft«. 30 Auch die WestLB und die HSH Nordbank stiegen jetzt groß ins Geschäft mit strukturierten Verbriefungen ein. Der Wirtschaftsjournalist Alexander Dill, der diese Vorgänge in seinem Buch
Der große Raubzug
detailliert schildert, resümiert: »Pech, Unerfahrenheit oder Schicksal – es ist nicht zu leugnen, dass der Einstieg in die strukturierten Finanzierungen durch die deutschen Staatsbanken vollkommen in die Amtszeit der rotgrünen Bundesregierung zwischen 1998 und 2005 fällt.« 31
Für Banken, die mit ungebrochener Lust anderen Banken zweifelhafte Papiere abkauften und die damit verbundenen Risiken nicht durchschauten, gab es in der Londoner City, wie uns die Investmentbankerin Susanne Schmidt verrät, einen bösen Spitznamen: »Stuffees« – Stopfgänse. Bei ihnen wurde abgelegt, was man loswerden wollte. »Es gab eine ganze Reihe
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