Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
Vom Netzwerk:
theoretisch mit einer bestimmten Menge Liquidität eine unendliche Menge an Kredit und damit an Schulden geschaffen werden. Und da die Schulden des einen immer auch das Vermögen eines anderen sind, also auch eine unendliche Menge an Geldvermögen.
    Kredite ohne Reserven
    Volkswirtschaftlich ist eine unbegrenzte Geldschöpfung natürlich nicht wünschenswert. Denn damit entstehen entweder Inflation oderBerge ungedeckter Geldvermögen, die mit ihren wachsenden Zins- und Dividendenansprüchen den Einkommenskreislauf immer stärker belasten, indem sie immer größere Teile davon auf sich konzentrieren.
    Deshalb hatte die Politik dem Bankensystem einst feste Regeln gesetzt, die dessen Kreditpotential limitieren sollten und dies lange Zeit auch taten. Beispielsweise gab es in der Nachkriegszeit in allen Industrieländern eine gesetzlich festgelegte Mindestreservepflicht auf kurzfristige Bankguthaben. Wenn die Bank eine Einzahlung auf einem Girokonto verbuchte, durfte sie diese nicht vollständig weiterverleihen, sondern nur einen gewissen Teil davon. Der Kredit war also mit dem durch ihn geschaffenen Guthaben auch nicht ausgeglichen, sondern die Bank brauchte zusätzliches Geld.
    Solange es keinen globalen Interbankenmarkt gab, auf dem man sich jederzeit Liquidität beschaffen oder auch jedes Wertpapier in Liquidität verwandeln konnte, waren die Banken an einer bestimmten Reservehaltung selbst interessiert, um nicht zahlungsunfähig zu werden. Immerhin mussten sie bei kurzfristigen Anlagen immer damit rechnen, dass sie auf ein Konto bei einer anderen Bank überwiesen oder auch bar abgehoben wurden. Hatte die Bank dann nicht genügend Geld flüssig, war sie auf teure Diskontkredite der Notenbank angewiesen, eine Situation, die jede Bank zu vermeiden suchte. Also wurde das kurzfristig angelegte Geld nicht vollständig weiterverliehen, sondern es wurde eine gewisse Reserve auf einem Konto bei der Notenbank gehalten.
    Um im Röhrenbild zu bleiben: Jede Röhre hat in einem solchen System einen Reservekanister, und sie leitet immer nur einen Teil des Wassers weiter, während der Rest gespeichert wird. Nach einer gewissen Zeit wird sich dann das gesamte Wasser in den Speichern befinden. Die Kreditzirkulation geht nur weiter, wenn neues Wasser ins System fließt, wenn also die Zentralbanken den Wasserhahn betätigen. Unter solchen Bedingungen haben die Zentralbanken die Kontrolle über den Umfang der Kreditvergabe, und eine Kreditexplosion wie in den letzten anderthalb Jahrzehnten ist ausgeschlossen.
    Mit der Entstehung des internationalen Finanzmarktes allerdings wurden immer größere Teile des Bankensystems aus der Mindestreservepflicht entlassen. Das begann mit den Euromärkten, auf denenFremdwährungen ohne Reservepflicht gehandelt wurden, und setzte sich mit Deregulierungen auf nationaler Ebene fort. Großbritannien hat die Mindestreservepflicht mittlerweile ganz abgeschafft, in den USA gilt sie nur noch für bestimmte Einlagen, die bei den großen Banken fast bedeutungslos geworden sind. Die EZB verlangt zwar nach wie vor eine Mindestreserve von 2 Prozent, aber auch die gilt nur für einige Guthaben, und es gibt viele kreative Möglichkeiten, sie zu umgehen. Gerade die wuchernden Investmentbanking-Abteilungen der Banken berührt die Mindestreservepflicht überhaupt nicht.
    Zugleich besteht der wesentliche Zweck vieler »Finanzinnovationen« darin, die nötige Liquidität selbst bei großen Transaktionen immer mehr zu verringern, also das Zirkulieren des Wassers in den Röhren extrem zu beschleunigen. Auf diese Weise können mit immer weniger Zentralbankgeld immer größere Schulden finanziert und damit zugleich immer größere Vermögen – besser: Scheinvermögen – geschaffen werden. Die gesetzliche Mindestreserve ist also im heutigen Finanzsystem kein Hebel mehr, der die Fähigkeit der Banken, immer neue Kredite auf den Markt zu werfen, ernsthaft reduzieren würde.
    Die Polster schwinden
    Bleibt die gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitalunterlegung von Krediten und anderen Aktiva. Der Sinn des Eigenkapitals einer Bank besteht von jeher darin, Risikopuffer für mögliche Verluste zu sein. Denn eben weil die Bank jede Spareinlage, die sie bekommt, auf die eine oder andere Art weiterverleiht, ist das Geld, über das sich der Sparer beim Betrachten seines Kontoauszuges freut, streng genommen gar nicht mehr da. Es wurde weitergegeben an einen Häuslebauer, der eine Hypothek aufgenommen hat, oder an den Finanzminister,

Weitere Kostenlose Bücher