Freiheit statt Kapitalismus
»systemrelevante« Bank in brenzliger Lage herauskaufen wird.
Das bestehende Regelwerk bedeutet also für die Finanzindustrie die Lizenz zum Gelddrucken. Und zwar theoretisch unbegrenzt. Denn die Banken können sich gegenseitig zu mehr oder minder »innovativem« Eigenkapital verhelfen, mit diesem Eigenkapital neues Kreditgeld schaffen, mit dem Kreditgeld, wenn nötig, wieder Eigenkapital und so nochmehr Kredit. Ein großer Bankkonzern kann dieses Spiel sogar ganz allein mit sich selbst spielen. Wie das funktioniert, erläutert der Ulmer Ökonom Dirk Solte in seinem bereits zitierten Buch
Weltfinanzsystem am Limit.
Nehmen wir an, eine Investmentfirma, die zu einem Bankkonzern gehört, legt bei einer Tochterbank desselben Konzerns 1 Millionen Dollar als Eigenkapital an. Die Bank gewährt der Investmentfirma auf dieser Grundlage einen Kredit von 62,5 Millionen Dollar zum Zinssatz für Interbankenkredite, sagen wir 3 Prozent. Um den Zinsdienst abzusichern, kauft die Investmentfirma jetzt für 32,5 Millionen Dollar US-Staatsanleihen, die mit 5 Prozent rentieren. Übrig bleiben 30 Millionen Dollar zum Nulltarif, geschenktes Geld, mit dem die Investmentfirma machen kann, was sie will. Die Rendite auf dieses Geld stellt ihren garantierten, risikolosen Gewinn dar.
Möchten Sie nicht auch jemanden kennen, der Ihnen mal eben 30 Millionen Dollar zinsfrei auf ihr Konto überweist? Selbst wenn Ihnen nichts Kreativeres einfällt, als diesen Betrag auf Ihr Sparbuch mit 2 Prozent Verzinsung umzubuchen, heißt das: ein Geschenk von 600 000 Euro in einem Jahr. Einfach so. Völlig legal. Natürlich besteht für die Teilnehmer dieses Geschäfts der größte Anreiz, es vielleicht auch mit dem zehn- oder hundertfachen Volumen abzuwickeln. Dann wächst das Geschenk auf 6 Millionen oder auch 60 Millionen Dollar. Solange man irgendjemanden findet, der einem den ersten Einsatz leiht, also im angegebenen Beispiel die erste 1 Million, gibt es praktisch keine obere Grenze für dieses Spiel. Und da alle großen Finanzhaie nach den gleichen Regeln spielen, findet sich immer ein freudiger Kreditgeber, und zwar für immer größere Einsätze.
Virtuelle Einkommen
Dank dieser Geldmaschine können Banken und andere Finanzinstitute problemlos eine immer größere Kreditflut finanzieren und aus diesen Krediten immer neue Wertpapiere basteln. Außerdem können sie sich die gleichen Wertpapiere zu immer höheren Preisen gegenseitig abkaufen. Man stelle sich vor, dass zwei Banken auf die oben geschilderte Art immer mehr Kreditgeld schaffen und mit diesem Geld mit ein undderselben Daimler-Aktie handeln. Hat Bank Alpha die Aktie der Bank Beta gestern für 100 Dollar verkauft, kauft sie Bank Alpha heute für 150 Dollar zurück. Bank Beta hat damit einen Gewinn von 50 Dollar realisiert und kann alle anderen Daimler-Aktien, die sich in ihrem Depot befinden, um 50 Dollar aufwerten. Nehmen wir an, sie hat 1000 davon, verbucht sie zusätzlich unrealisierte Gewinne von 50 000 Dollar. So wundersam reich geworden, schlägt Bank Beta wieder zu und kauft Bank Alpha die gleiche Aktie für 250 Dollar ab. Bank Alpha hat jetzt 100 Dollar Gewinn realisiert und, so sie auch 1000 Daimler-Aktien besitzt, unrealisierte Gewinne von 100 000 Dollar.
Dieses volkswirtschaftlich komplett sinnlose Spiel können die Banken, wenn sie dabei auch ihr Eigenkapital aufwerten, theoretisch endlos weiterspielen. Sie können immer größer und reicher und mächtiger dabei werden und wachsende Gewinne realisieren, die sie dann in Form üppiger Dividenden an ihre Aktionäre und großzügiger Boni an ihr Management weitergeben können. Hier werden also nicht nur virtuelle Summen hin- und hergebucht, sondern es entstehen Einkommen. Einkommen, die in der Statistik als Wertschöpfung gelten, obwohl ihnen kein einziger Euro geschaffener Wert zugrundeliegt. Einkommen, die ausschließlich in Bankcomputern entstanden sind und trotzdem die von ihnen profitierende Schicht zu Multimillionären und Milliardären machen.
Wer diese Mechanismen kennt, wundert sich eigentlich über nichts mehr. Weder über die ungeheure Kreditschwemme der letzten 15 Jahre noch über die beispiellose Gewinnexplosion in der Finanzindustrie. Auch nicht über die sagenhaften Boni und Gehälter, die die großen Banken zahlen können. Und noch weniger über die endlosen Billionen, die täglich über die Finanzmärkte wuseln, oder über die Flut an seltsamen Papieren, die mit diesen Billionen gekauft und
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