Freiheit statt Kapitalismus
Anreiz zum Anheizen des Verbriefungsmotors geschaffen. Und damit den Investmentsparten der Banken hochprofitables Geschäft verschafft, denn in diesen Abteilungen sitzen ja die Verpackungskünstler.
Manche Kredite sind auch gesetzlich von jeder Eigenkapitalunterlegung befreit. Dazu gehören etwa Kredite an OECD-Staaten. Als die HRE 2007 den Dubliner Staatsfinanzierer Depfa übernahm, der sie (und den deutschen Steuerzahler) später so teuer zu stehen kam, erhöhtensich die gesamten Aktiva der HRE um fast 240 Milliarden Euro. Die sogenannten risikogewichteten Aktiva dagegen stiegen nur um 34 Milliarden Euro. Und nur für diese musste die HRE Eigenkapital vorhalten.
Keinerlei Eigenkapital erfordern auch Kredite und Kreditpapiere, auf die eine Kreditausfallversicherung (CDS) abgeschlossen wird. Egal ob der Sicherungsgeber diese am Ende auch einlösen kann, was in der Regel nicht der Fall ist. Denn zur Unterlegung des Swaps sind eben auch keine angemessenen Kapitalpolster zu bilden.
Wenn zwei Banken sich gegenseitig ihre Papiere versichern, stehen sie am Ende beide besser da, das heißt mit weniger Eigenkapitalbedarf. Obwohl sich das Risiko in den Büchern der beiden dadurch natürlich nicht verändert hat. Solche Cross-Geschäfte waren daher bei den Banken sehr beliebt und haben zur Aufblähung des CDS-Marktes im Vorfeld der Krise beträchtlich beigetragen. Dabei war die absurde Situation nicht selten, dass eine Bank auch die eigenen Schuldverschreibungen bei einer anderen Bank versicherte, sich also verpflichtet hat, im Falle des eigenen Konkurses der anderen Bank den Ausfall zu ersetzen.
»Es ist so, als würde man eine Versicherung für die Titanic kaufen von jemandem auf der Titanic«, 52 schreibt der amerikanische Autor Nassim Taleb über dieses absurde Theater. Aber diese Absurdität liegt den heutigen Finanzmärkten in ihrem tiefsten Wesen zugrunde.
Neben den CDS, die natürlich auch als Wettinstrument und als Hebel für die Beeinflussung von Kursentwicklungen für die Finanzindustrie von Interesse sind, gibt es noch eine Reihe weiterer »innovativer« Finanzprodukte, die nur für den Zweck geschaffen werden, die Eigenkapitalerfordernisse der Banken zu minimieren.
Auch was die Banken alles als Eigenkapital zählen dürfen, ist verblüffend. Denn auch hier haben die Investmentbanker ihre Kreativität spielen lassen und »innovative« Eigenkapitalinstrumente erfunden. So besteht das Eigenkapital längst nicht mehr nur aus Aktienkapital und einbehaltenen Gewinnen, wie ein unbedarfter Mensch sich das vorstellen würde. Als Eigenkapital zählen auch Genussscheine, unrealisierte Gewinne auf Wertpapiere, nachrangige Anleihen und vieles mehr, wasals Risikopuffer überhaupt nicht taugt. An wirklich »hartem« Kernkapital musste die Bank nach Basel II nur 2 Prozent vorhalten, nach Basel III 4 Prozent.
Die Geldmaschine der Banken
Es gibt also zwei Gründe, warum sich das globale Bankensystem früher noch nicht als jene wildgewordene Geldschleuder betätigte, zu der es heute geworden ist. Zum einen musste jede Bank auf ihre Zahlungsfähigkeit achten und war daher gehalten, einen gewissen Prozentsatz ihrer Guthaben bei ihrer Zentralbank als Reserve zu parken. Wollte sie ihre Kreditvergabe ausweiten, ging das somit nur in dem Rahmen, in dem sie zusätzliches Geld von der Zentralbank bekam. Zum anderen mussten die Banken, um ihre Solvenz sicherzustellen, ihr Kredit- und sonstiges Engagement mit einem angemessenen Polster an Eigenkapital unterlegen. Die Kreditvergabe konnte so nur im Gleichschritt mit dem Eigenkapital wachsen. Weitgehend nach diesem althergebrachten Muster arbeiten viele kleinere Banken auch heute noch
Die Global Player im Finanzgeschäft tanzen auf einem anderen Parkett. Ihre Investmentbanking-Abteilungen versorgen sie in unversieglicher Kreativität mit immer neuen »Innovationen«, die ihnen dabei helfen, mit geringstem Liquiditätsbedarf größte Volumina an allen möglichen Papieren zu kaufen, umzustricken und weiterzuverkaufen. Zudem können sie sich über den Interbankenmarkt oder internationale Wertpapier-Settlement-Systeme unter normalen Bedingungen Cash in beliebiger Höhe besorgen, was größere Reserven obsolet macht. Die reinen Investmentbanken hatten früher gar kein Reservekonto bei der Zentralbank und brauchten es auch nicht. Die Sorge um ihre Solvenz wiederum haben den Banken die Staaten abgenommen. Wieso teures Eigenkapital stapeln, wenn klar ist, dass der Steuerzahler jede
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