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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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sind nach diesem Ansatz nur lästige Mittel, die man notgedrungen braucht, um als Unternehmen Profit zu machen und diesen dann auch ausschütten zu können. Aber eigentlich stören sie nur. Rappaports Kernsatz lautet: »In einer Marktwirtschaft, die die Rechte des Privateigentums hochhält, besteht die einzige soziale Verantwortung des Wirtschaftens darin,
Shareholder Value
zu schaffen.« 67 Und Shareholder-Value ist das, was als Dividende oder in Form steigender Aktienkurse unmittelbar bei den Anteilseignern ankommt. Ein perfektes Unternehmen wäre nach dieser Theorie eines, das gar nicht mehr produziert, sondern nur noch Geld ausschüttet, etwa weil es Patente ausbeutet und Lizenzgebühren einstreicht oder auch einfach weil es eine unbegrenzte Kreditlinie hat und dieses Geld eins zu eins an seine Anteilseigner weitergibt. Ganz soextrem ist die Situation in den großen börsennotierten Gesellschaften noch nicht, aber man nähert sich.
    Der Shareholder-Value-Ansatz ist »kapitalzerstörend, investitions- und innovationsfeindlich und führt zu einer Fehlallokation von Ressourcen«, argumentiert der St. Gallener Ökonom und Managementtheoretiker Fredmund Malik. 68 Wie konnte eine derart durchgeknallte Managementphilosophie die Führungsetagen der meisten großen Weltkonzerne erobern?
    Ungeduldiges Kapital
    Tatsächlich hat der Siegeszug der Shareholder-Value-Maximierer wenig mit der Geistesverfassung der Manager und viel mit wirtschaftlichen Eigentumsverhältnissen zu tun. Dieses Managementkonzept konnte sich durchsetzen, weil es exakt den Interessen eines bestimmten Typs von Aktionär entspricht – denen des kurzfristig orientierten Anlegers, der viele Aktien im Portfolio hat und dieses immer wieder umschichtet, der heute diese Anteilsscheine kauft und morgen jene und der nur ein Ziel hat: aus jeder Anlage möglichst kurzfristig ein Maximum an Rendite herauszuholen.
    Diesen Anlegertypus in Reinform verkörpern die sogenannten »Finanzinvestoren« oder auch »institutionellen Investoren«, wobei man sich unbedingt davon lösen muss, den Begriff »Investor« mit »Investitionen« zu assoziieren. Der Finanzinvestor ist eher der Anti-Investitions-Anleger, denn er strebt danach, die Mittel, die das Unternehmen eigentlich für Investitionen bräuchte, möglichst umfassend aus ihm herauszuziehen, weil er an der langfristigen Unternehmensentwicklung ohnehin nicht interessiert ist.
    Die institutionellen Investoren sind in den letzten Jahrzehnten auf den Aktienmärkten immer dominanter geworden, weil die Vermögensexplosion infolge der Geldmaschine der Banken und der Einkommensumverteilung zugunsten der Reichen sowie die weltweite Privatisierung der Rente zunehmend gewaltigere Summen anlagesuchender Gelder in ihrer Verfügung konzentriert haben. Finanzinvestoren sind die Investmentbanker, die Hedge-Fonds, die Vermögensverwaltungen und alle anderen Kapitalsammelstellen, bei denen reiche, manchmal auch wenigerreiche Leute ihr Geld abliefern, um mit deren professioneller Unterstützung maximale Erträge einzustreichen. Zu ihnen gehören auch die Pensionsfonds und Versicherungen, selbst wenn sie teils etwas längerfristige Anlagestrategien verfolgen als die reinen Spekulationsvehikel.
    Für einen kurzfristig kalkulierenden Anleger zahlen sich Aktienrückkäufe oft tatsächlich mehr aus als die Investition des gleichen Betrags in neue Anlagen und Sachkapital. Nüchtern vorgerechnet hat das schon in den achtziger Jahren der damalige Chef des Unternehmens General DataCom Industries:
     
    »Wenn ich zehn Prozent der Aktien zurückkaufe und damit den Gewinn-Anteil um zehn Prozent erhöhe, kostet das zur Zeit 6,7 Millionen Dollar. Um den gleichen Effekt durch Investitionen zu erzielen, müsste ich 10 bis 15 Millionen Dollar ausgeben.« 69 Und was interessiert den kurzfristigen Investor, was aus dem Unternehmen in fünf oder zehn Jahren wird, wenn er dessen Aktien längst wieder verkauft hat.
     
    Der Wandel in der Motivation der Anleger lässt sich an Zahlen ablesen. In den sechziger Jahren lag die Umschlaghäufigkeit von Aktien in den USA bei nur 12 Prozent. Im Schnitt hielt ein Anleger seine Aktien also 8,3 Jahre. Bereits 1987 war diese Rate auf 73 Prozent gestiegen, eine durchschnittliche Aktie wurde also schon nach 1,4 Jahren wieder verkauft. Seit Beginn der Neunziger ist die Umschlaghäufigkeit auf über 90 Prozent geklettert. Die Entwicklung an der deutschen Börse verlief ähnlich, nur setzte sie hier deutlich später ein. Das

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