Freiheit statt Kapitalismus
in welcher Firma, wird zum Lebensbegleiter. Nichts ist sicher. Die Angst vor Jobverlust und Absturz ist immer da. Damit aber verlieren Menschen die Planungshoheit über ihr Leben. Solche Bedingungen sind nicht dazu angetan, Höchstleistungen zu ermutigen, sondern Menschen zu stressen, zu verschleißen, auszubrennen. Je älter sie werden, desto mehr. Nicht nur auf volkswirtschaftlicher, auch auf individueller Ebene wird so Kreativität vernichtet.
Herkunft statt Leistung
Studien belegen: Je größer die soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft, desto geringer ist auch die soziale Mobilität, also die Chance, seine soziale Schicht zu wechseln und besser zu leben als die Eltern. Solche Aufstiegschancen gab es in den fünfziger, sechziger und siebzigerJahren, als viele Kinder aus Arbeiterfamilien studierten und am Ende als Angestellte oder auch Selbständige deutlich wohlhabender waren als ihre Eltern. Zwar sind auch damals aus einstigen Tellerwäschern in der Regel keine Millionäre geworden, aber man konnte sich hocharbeiten. Diese Chance ist heute vielfach versperrt. Am schlechtesten steht dabei im Ländervergleich das Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten da, die Vereinigten Staaten. Hier ist der soziale Status der Kinder am stärksten durch den Status der Eltern vorherbestimmt. Wer von unten kommt, bleibt auch unten. Ähnlich mies sind die Aufstiegschancen in Großbritannien und nur wenig besser in Deutschland.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Je größer die Ungleichheit, desto stärker ist in der Regel auch die Ghettoisierung von Armut. In den Wohnvierteln, wo die perspektivlosen Angehörigen der »Unterschicht« wohnen, verfallen die Schulen, das Bildungsniveau ist schlecht, das Wohnumfeld hässlich, die Kriminalität hoch. Besonders Hauptschulen sind in Deutschland solche Orte, in denen das Leben, ehe es richtig begonnen hat, aufs Abstellgleis gelenkt wird. Das unwürdige Dasein unter der Knute von Hartz IV hat den Prozess früher Ausgrenzung und Chancenlosigkeit verstärkt. Nur ganz wenige Kinder, die mit schlechten Startbedingungen ins Leben gehen, schaffen den Ausbruch.
Anders als der Mythos von der Leistungsgesellschaft nahelegt, ist der soziale Aufstieg heute also großenteils eine Frage der Herkunft. Ulrike Herrmann führt in ihrem exzellenten Buch über den »Selbstbetrug der Mittelschicht« 82 als ein Exempel für die Besetzung oberer Posten mit Mitgliedern von Familiendynastien das Beispiel des miteinander verwandten und verschwägerten Topmanagements deutscher Banken an. So war der Großvater von Commerzbank-Chef Martin Blessing Präsident der Bundesbank, der Vater war Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, der Sohn hat es immerhin an die Spitze der Commerzbank geschafft. Auch Blessings Ehefrau entstammt einer Bankerdynastie. Sie selbst ist Managing Director bei Goldman Sachs, ihr Vater, Paul Wieand, sanierte einst die Bank für Gemeinwirtschaft, Bruder Carl ist Partner bei McKinsey und Bruder Axel war Bereichsvorstand der Deutschen Bank, wurde auf deren Drängen 2008 zum neuen Chefder maroden HRE berufen und ging nach 18 Monaten wieder in die Chefetage der Deutschen Bank zurück.
Ulrike Herrmann weist darauf hin, dass die Chefs der 100 größten deutschen Firmen fast ohne Ausnahme dem Großbürgertum oder dem gehobenen Bürgertum entstammen, obwohl diese Schicht insgesamt gerade 3,5 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Und das Prinzip Vererbung gilt nicht nur für die Spitzenpositionen. Wer der sogenannten »oberen Dienstklasse« angehört, also leitender Angestellter ist, Arzt oder Anwalt, hat zu 43 Prozent einen Vater, der bereits in der gleichen beruflichen Position tätig war.
»Geborene Unternehmer« –
Die Eigentümerdynastien hinter den Märkten
Aber während die Karriere vom Kind ungelernter Arbeiter zum Oberstudienrat noch irgendwie machbar ist, schafft den Wechsel der Klasse so gut wie niemand: den Wechsel also von jener sozialen Schicht, die ihren Lebensunterhalt mit eigener Arbeit bestreitet, zu jener, die wesentlich von Profit- und Vermögenseinkommen lebt. Nicht dass nicht mancher Arbeitslose oder auch vormals abhängig Beschäftigte, der ewigen Jobwechsel und schlechten Löhne leid, sein Glück damit versuchen würde, ein eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen. Manchmal ist es nur ein Ausweg aus Verzweiflung, manchmal steht auch eine neue Idee dahinter. Aber selbst wenn die Geschäftsidee trägt und den Lebensunterhalt sichert, ist das erzielte Einkommen in
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