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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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einen herben Verlust an Kompetenz in den unterbezahlten Staatsbehörden zur Folge. Damit stehen die Chancen noch schlechter, wenigstens die ausstehenden Steuern auch wirklich einzutreiben. Ähnliches gilt für die Aufsichtsbehörden. Die Investmentbankerin Susanne Schmidt erklärt trocken, warum ihrer Ansicht nach die Finanzaufsicht nicht funktioniert: »Die Aufsichtsbehörden bezahlen ihre Angestellten mittelmäßig, also werden auch nur mittelmäßige Talente angeheuert. Clevere gehen lieber in die City oder an die Wall Street.« 119 Auch der US-Ökonom Nouriel Roubini verweist auf die Problematik, dass »die Börsenaufsicht der Vereinigten Staaten zu den am schlechtesten bezahlten Behörden [gehört]. Noch heute verdient kaum ein Mitarbeiter mehr als 100   000 Dollar pro Jahr.« 120 Mies bezahlte Beamte werden glänzend bezahlte Banker kaum sehr wirkungsvoll überwachen.
    Der geplünderte Staat und die Privatisierung der Welt
    Auch die Kompetenz öffentlicher Verwaltungen ist letztlich eine Geldfrage. Politische Kompetenz verlangt, dass eine genügend große Zahlvon Beamten erstens genügend Fachwissen besitzt und zweitens genügend Zeit hat, sich in ein bestimmtes Problem einzuarbeiten. Werden unter Spardruck die öffentlichen Verwaltungen immer mehr ausgedünnt, bleibt zwangsläufig die Kompetenz auf der Strecke. Ehe man in den populären Schlachtruf »Bürokratieabbau!« einstimmt, sollte man daher sehr genau hinsehen, was im konkreten Fall gemeint ist. Wenn die EU-Kommission weniger Mitarbeiter hat, als smarte Lobbyisten auf sie angesetzt sind, muss man sich nicht wundern, wenn am Ende Letztere die EU-Richtlinien verfassen.
    Das Gleiche gilt für die parlamentarische Ebene. Wenn Abgeordnete nicht genügend Personal haben, um die Menge der Gesetzesprojekte sachkundig zu durchdringen, wird Parlamentarismus hohl und manipulierbar. Dazu bedarf es dann gar nicht der Käuflichkeit. Die mangelnde Fähigkeit des durchschnittlichen Abgeordneten zu einer fundierten eigenen Meinung genügt. »Wie praktisch«, schreiben die Verfasser des
Schwarzbuchs der Markenfirmen
, »wenn Institutionen mit tausenden von Beschäftigten dann fix und fertige Papiere vorlegen, durch selbstbezahlte ›wissenschaftliche‹ Studien untermauert, die es nur noch abzusegnen gilt. Und wenn diese Institutionen auch noch mit hohem Kapitaleinsatz mediale Begleitkampagnen inszenieren, um den öffentlichen Widerstand gegen die Beschlussfassung konzernfreundlicher Gesetzgebung gering zu halten.« 121 So wird die öffentliche Gesetzgebungskompetenz mehr und mehr zur Farce.
     
    Im Ergebnis werden, wie der Börsenhändler Dirk Müller zusammenfasst, »unser Wirtschaftssystem und das politische System der westlichen Welt … von einigen überschaubaren Gruppen geplant, überwacht und gelenkt. Ob Sie diese Gruppierungen jetzt als Finanzelite, Wirtschaftsaristokratie oder Finanzmafia bezeichnen, überlasse ich Ihrer Phantasie. Ich bezeichne sie als Finanz- und Machthydra.« 122
     
    Dass sich unter diesen Umständen immer mehr Menschen von der Politik abwenden, ist kaum erstaunlich. »Von vielen Menschen wird der Staat nur noch als ein Monster wahrgenommen, von dem sie schamlos ausgenommen werden«, schreibt der Ökonom und Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Das Vertrauen in die Politik ist auf dem Tiefstand,eine wachsende Zahl von Menschen hat sich aus dem demokratischen Prozess verabschiedet und nimmt an keiner Wahl mehr teil. Natürlich trägt das zu einer weiteren Schwächung und Delegitimierung der politischen Institutionen bei. Demokratie, die in den Entscheidungen nicht mehr erlebt wird, wird auch nicht mehr gelebt. Und stirbt damit umso schneller. Die Geschichte der Weimarer Republik ist ein Beispiel dafür, wohin die abgrundtiefe Enttäuschung über demokratische Institutionen führen kann. So verständlich sie ist, ist sie zugleich hochgefährlich. Denn selbst die morbiden Demokratien unserer Zeit sind unbedingt verteidigenswert, sollten die Wirtschaftsmächtigen ein zweites Mal nach der offenen Diktatur zu greifen suchen.
    Der Unterschied zwischen der vermittelten, immer noch an gewisse Regeln gebundenen Diktatur des Profits, in der wir heute leben, und der offenen, unmittelbaren und ungebundenen ist gravierend, denn er bemisst sich in Menschenleben. Wer aber verhindern will, dass schwache, ausgehöhlte und ihrer Substanz beraubte Demokratien irgendwann ganz weggeworfen werden wie ein alter Mantel, dessen Nutzen zweifelhaft geworden ist, der muss

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