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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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sich Einkommen am oberen Ende konzentriert, desto weniger von diesem Einkommen fließt als Nachfrage nach Äpfeln, Lammfilets, iPhones, Turnschuhen oder Friseurdienstleistungen in den volkswirtschaftlichen Kreislauf zurück. Aus diesem Grund würde ein Einkommenssteuerkonzept, das am unteren Ende entlastet und am oberen draufschlägt, die Konsumnachfrage erhöhen, obwohldie staatlichen Einnahmen insgesamt unverändert bleiben könnten. Noch wirkungsvoller zur Erhöhung der Konsumnachfrage wäre es, beispielsweise die Besteuerung von Zinsen und Dividenden auf 70 Prozent zu erhöhen und damit eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Renten zu finanzieren.
    Die letztlich entscheidende Frage für die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist also die Verteilungsfrage, nicht die öffentliche Kreditaufnahme. Eine Eigentumsordnung, die eine ausgeglichenere Einkommensverteilung ermöglicht als die heutige, würde insofern auch zu mehr wirtschaftlicher Stabilität beitragen.
    Der Schuldenstaat als Profitgarant
    Die öffentliche Verschuldung ist in allen Industrieländern seit Mitte der siebziger Jahre kontinuierlich gestiegen. Das zeigt, dass die Staatsschulden nicht in erster Linie als Folge keynesianischen Gegensteuerns in konjunkturellen Schwächephasen entstanden sind. Wie wir im Kapitel über die »schöpferische Zerstörung« gesehen haben, ist die horrende Schuldenlast vielmehr gerade Ergebnis jener neoliberalen Wende, die sich durch eine ausdrückliche Abkehr von Keynes und die Ideologie des schwachen Staates à la Milton Friedman auszeichnete. Diese neoliberale Wende hatte in allen Ländern ähnliche Auswirkungen: Die Löhne wurden von der Steigerung der Produktivität abgekoppelt, die sozialen Leistungen verschlechterten sich und infolge üppiger Steuergeschenke an die Oberklasse schrumpften die staatlichen Einnahmen. Im Ergebnis sank die Massenkaufkraft und damit eine zentrale Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.
    Ohne ausreichenden Absatz allerdings auch keine steigenden Kapitalrenditen, ganz gleich, wie generös die Unternehmen auf der Kostenseite entlastet werden. Kreditfinanzierte Staatsausgaben waren in dieser Situation Teil der neoliberalen Lösung des Nachfrageproblems.
    Der Schuldenstaat als Ergebnis sinkender Konzernsteuern
    Darüber hinaus haben sich die großen Konzerne im Zuge der sogenannten »Globalisierung« immer stärker aus der Finanzierung der Gemeinwesen verabschiedet. Auch dieser Wegbruch an Steuereinnahmenwurde durch höhere Verschuldung ausgeglichen. Dirk Solte macht in seinem Buch eine interessante Beispielrechnung auf.
     
    So lag die Wirtschaftsleistung der Welt 2005 bei 44,5 Billionen Dollar. Angenommen, der Bruttobetriebsüberschuss der großen Unternehmen läge bei 25 Prozent davon, so wären das 11 Billionen Dollar. Nehmen wir an, dass die erweiterten Steuersparmöglichkeiten infolge der »Globalisierung« es den Unternehmen ermöglicht haben, ihre Steuerlast von 40 auf 20 Prozent zu halbieren, so würde das einen weltweiten Steuerausfall von ca. 2,2 Billionen Dollar zur Folge haben. Interessanterweise sind die öffentlichen Verbindlichkeiten aller Staaten in jenem Jahr 2005 just um 2,14 Billionen Dollar angewachsen. 123
     
    Dabei ist die Annahme einer Reduzierung der Konzernsteuern auf 20 Prozent sehr moderat. Die Belastung der Konzerngewinne durch Körperschaftssteuern lag in Deutschland 2008 gerade noch bei 14 Prozent, nachdem es im Jahr 2000 noch 22 Prozent waren und in den Achtzigern fast das Doppelte.
    Private Schuldentürme: Kredite statt Löhne
    Als Mitte der neunziger Jahre die staatlichen Spielräume zur Stabilisierung der Nachfrage wegen der anwachsenden Schuldenlast ausgeschöpft schienen, rückte insbesondere in den USA eine andere Strategie in den Vordergrund: die Verschuldung der privaten Haushalte. Passend zum Privatisierungstrend handelt es sich im Grunde um eine Art »Privat-Keynesianismus«: Nicht der Staat nimmt rote Zahlen in Kauf, um der Wirtschaft mehr Nachfrage zu verschaffen, sondern die Verbraucher selbst halsen sich einen wachsenden Berg Schulden auf, um ein Konsumniveau zu finanzieren, das sie sich mit ihren Löhnen und Gehältern bei weitem nicht leisten könnten.
    Darin lag letztlich der Kern des Hypothekenbooms in den USA, denn die Hauskredite dienten in Wahrheit nur zu geringen Teilen tatsächlich dem Bau und Kauf neuer Häuser. Mehrheitlich wurden vorhandene Häuser mit Blick auf ihre fiktiven Wertsteigerungen mit immer größeren

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