Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
Vom Netzwerk:
trat, soweit man den Ausdruck hinter dem Gewucher in seinem Gesicht sicher erkennen konnte.
    »Soll ich dich nach Hause fahren?« Er war wirklich ein guter Freund, und es war verlockend. In wenigen Minuten würde er sich von den quälenden Gedanken, dem Zittern, dem Herzrasen, den Schweißausbrüchen befreien können.
    »Nein«, sagte Tom und fragte sich, ob er noch bei Trost war. Anton schob ihm einen Teller hin, setzte sich und stach seine Gabel ins Fleisch. Er sah ihn lange an und schwieg. Dann steckte er ein großes Stück Fleisch in seinen Mund und kaute.
    »Und warum hast du sie, wie heißt sie noch mal … «
    »Claire.«
    »… Claire dabei?«
    »Sie hatte eine Panne.«
    »Hm.« Anton kaute gemächlich und spülte mit Bier nach.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Tom schließlich wahrheitsgemäß. Er hatte wirklich nicht die geringste Ahnung, was er da tat.
    »Du hättest mich anrufen können.«
    »Ich weiß.«
    »Hast du aber nicht.«
    »Nein.«
    »Was ist mit Hannah?«
    »Was soll mit ihr sein? Sie ist weg.«
    Anton nickte dem Rest seines Steaks zu. »Stoff oder Liebe, stimmst?«
    Tom schwieg. Das mit Hannah hatte ein paar Jahre gedauert, dann hatte sie es nicht mehr ausgehalten, nicht nur wegen der Dosis. Sie hatten irgendwie nicht zusammengehört, gestritten hatten sie sich aber nie. Eines Morgens war sie verschwunden, ohne auch nur ein Haar zurückzulassen, wohin, wusste Tom nicht. Vielleicht hatte sie nicht in die Gegend gepasst, nicht in sein Lädchen, und vor allem nicht zu seinem Gewächshaus voller fleischfressender Pflanzen. Anton hatte Hannah nie zu Gesicht bekommen. Es hatte sich einfach nicht ergeben.
    Claire kam Tom anders vor. Claire …
    »Ist sie jetzt deine Neue, oder nicht?«
    »Mann, Anton, ich kenne sie doch gar nicht. Also ich kenne sie seit heute Morgen .«
    »… und latschst mit ihr durch die Steppe und vergisst deinen Stoff. Alles klar.«
    Anton hätte ihn nicht daran erinnern sollen. Für einen Moment hatte er nichts gefühlt.
    »Ich hab was für dich. Das reicht über die Nacht.«
    Tom machte große Augen.
    »Nein, keinen Stoff, mach dir keine Hoffnungen. Pillen, die ich selbst damals genommen habe, um den Affen in Schach zu halten. Du kannst sie haben, wenn ich sie finde.«
    »Okay.« Das war besser als nichts und besser als die Aussicht auf eine endlos verzweifelte Nacht, die andernfalls vor ihm liegen würde. Tom hatte das alles schon ein paar Mal durchgemacht.
    Es dauerte beinahe eine Stunde, bis die Wirkung einsetzte, dann atmete Tom auf. Es war nicht dasselbe Gefühl, wie es die Dosis machte, nicht dasselbe.
    »Du kannst oben pennen«, sagte Anton irgendwann.
    »Oben? Da schläft Claire.«
    »Ja, und?«
    Tom beobachtete, wie sich die Dunkelheit zwischen die Bäume senkte.
    »Meine Großeltern haben vierzig Jahre in diesem Bett geschlafen.«
    »Die waren verheiratet.«
    Anton grinste. »Wie bist du denn drauf und seit wann?«
    »Mein Gott, Anton, ich kann mich doch nicht einfach neben sie legen und so tun, als wären wir vierzig Jahre verheiratet.«
    »Davon würde ich dir auch abraten.« Anton sammelte die Bierflaschen ein, verstaute sie im Kasten, stapelte Teller aufeinander und schlurfte zur Tür.
    »Mach was du willst, ich geh schlafen.« Damit verschwand er im Haus.
    Der Wind wurde kühler und brachte den Geruch nach Regen mit, aber am Himmel glitzerten Sterne. Als ihm kalt genug war, erhob sich Tom unentschlossen. Irgendwann stieg er die Treppe hinauf. Die Stufen knarrten. Unzählige Male hatte er schon in der Dachkammer übernachtet, nach Feten und Sauftouren, oder früher, als er fortgelaufen war von zu Hause und Antons Großeltern noch lebten. Sie hatten ihn einige Tage bei sich behalten. Die Großmutter hatte Apfelmus gekocht. Das mochte er. Dann hatten sie ihn zurückgebracht.
    Die Tür öffnete sich fast geräuschlos. Claires Locken breiteten sich über das Kissen, ihre Stirn und die geschlossenen Lider schimmerten im Mondlicht. Tom schlüpfte unter die Decke, die Laken fühlten sich kühl an. Das Bild mit den Engeln, das er als Junge gemocht hatte, war umgehängt worden. Sein Rahmen reflektierte das wenige Licht. Lange blickte er ins Dunkel.
    »Erzähl mir eine Geschichte.« Claires Stimme fügte sich in den Wind, der draußen an den Blättern zerrte. Tom hatte gedacht, sie schliefe.
    »Eine Geschichte.« Tom kannte einige. Manche von ihnen hatte er nie erzählt. Es hatte ihn auch nie jemand danach gefragt. Er lauschte Claires Atem.
    »Ich hatte einen Freund,

Weitere Kostenlose Bücher