Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
Vom Netzwerk:
Blick. »Glaubst du, das wird was?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, gab er halb resigniert zu, überlegte einen Moment. »Gibst du mir trotzdem das restliche Clonidin?«
    »Klar. Ich habe noch nie was gegen Illusionen gehabt.« Er zog die Packung aus der Brusttasche
    »Du hast es schon dabei?«
    »Vorsichtshalber.«
    Die Tür im Fond öffnete sich, und Claire schlüpfte hinein.
    Schweigend fuhren sie durch den kleinen Ort und bogen auf die Allee ein, die sie zu Toms Lädchen führte. Der schwere Wagen glitt sanft über die Unebenheiten der Straße und ließ die weiten Felder an ihnen vorüberschweben.
    »Die pneumatische Federung ist genial, was?« Besitzerstolz, und das obwohl Anton klar war, dass der C6 bald von einem Immobilienmakler abgeholt würde, der seltsamerweise in dieser Abgeschiedenheit ein Büro eröffnet hatte. Sonst sagte keiner etwas, bis Anton hinter der Göttin hielt.
    »Also dann … Danke, Alter.« Tom stieg aus. »Fürs Bringen und alles.«
    »Kein Problem. Lass dich mal wieder sehen, und viel Erfolg.« Anton klopfte Tom auf die Schulter.
    »Kann ich bei dir nachfragen, wenn ich ein Ersatzteil mal nicht auftreiben kann?« Claire schlug in Antons Pranke ein, nachdem er die Batterie abgestellt hatte.
    »Es wird mir ein Vergnügen sein, Madame.« Unbeholfen deutete er eine Verbeugung an und zog die Wagentür hinter sich zu. Sie winkten dem C6 nach. Wind rauschte in den Linden.
    »Und jetzt?« Tom sah zu, wie Claire die Batterie tauschte und den Keilriemen aufzog, geschickt und routiniert.
    »Ich würde mir ganz gerne was anderes anziehen.« Sie hob die alte Batterie in den Kofferraum und nahm ihre Reisetasche heraus.
    »Und dann?«
    »Was ist das für eine Frage, Tom? Jeder hat eben seinen Weg. So ist das nun mal.«
    »Ja, jeder hat seinen Weg.« Und immer geht jemand fort. Immer. So war das nun mal. Tom grüßte eine Kundin, die den Laden betrat, winkte Annelie hinter der Ladentheke zu. Die Haustür blieb offen, als er ins Badezimmer ging. Der Stoff lag auf der Fensterbank, hatte auf ihn gewartet. Tom glitt an den Fliesen hinab, tastete nach den Tabletten in seiner Tasche. Sie waren nicht dasselbe. Nichts war dasselbe, denn nichts blieb, und niemand. Er legte den Kopf auf die Arme, fühlte sich unendlich erschöpft, so als müsse er die nächsten Jahre schlafen. Schlafen, wenn das so einfach wäre! Es gab nichts, was er sich mehr wünschte als Ruhe, lange und still und endlos. Tom zog den Stoff in die Spritze, etwas mehr als sonst, schließlich hatte er lange nichts mehr gehabt, wand den Schlauch um den Arm und senkte die Kanülenspitze in seine Ellenbeuge. Sekunden, dann durchflutete ihn ein Gefühl von Angekommensein, warm und mild. Einen Moment lang meinte er, Claire zu spüren; Claire in der Nacht, in seinen Armen, in diesem Ganzsein. Aber das hier war besser, vertrauter, älter und – verlässlicher. Vor allem das. Langsam bettete er seinen Kopf auf den Boden, atmete, entspannte sich.
    Ein Geräusch weckte ihn. Es hallte in seinem Kopf. Als er die Augen öffnete, sah er zwei schlanke Fesseln.
    »Zeit zu reisen.«
    Die Worte glitten ab. Zeit zu reisen. Was immer das bedeutete. Er war müde. Zeit zu reisen. So was?! Egal. Er käme später nach. Etwas zerrte an seinem Arm; er versuchte sich loszumachen.
    »Verdammt, Tom, hilf mir.« Die Stimme kannte er, da war er sicher. Schemenhaft sah er eine blonde Mähne über einem Gesicht. Welchem Gesicht? Ein Duft … mehr eine entfernte Erinnerung, Magnolie vielleicht. Iris?
    »Steh auf. Hier kannst du nicht bleiben. Wir versuchen, es aufs Sofa zu schaffen, ja? Streng dich an.«
    Tom mühte sich, die Fliesen zu fixieren. Ein Waschbecken? Das Bad. Okay. Claire. Claire? Sie hielt ihn an den Händen, eine steile Falte zwischen den Brauen. Er stemmte die Füße auf den Boden und ließ sich in die Senkrechte ziehen, schwankend, bis Claire ihn um die Taille fasste und auf das Sofa bugsierte. Er spürte, wie eine Decke über ihn gebreitet wurde. Dann war es still, und Dunkelheit schwappte heran.
    Tom erwachte wenige Stunden später so müde, wie er eingeschlafen war. Ein Traumfetzen verfing sich: Zeit zu reisen. Das Zimmer war leer bis auf den Staub, der in den Sonnenstreifen tanzte.

17
    Der Montagmorgen begann für Conrad dröhnend, zu spät und mit einer langen Liste von Anrufen auf dem Anrufbeantworter, die er nicht mitbekommen hatte. Der erste stammte vom Kindergarten. Conrad machte Kaffee und Kakao, schmierte Brote und erfuhr, dass der Kindergarten

Weitere Kostenlose Bücher