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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Papier. Behutsam griff er nach dem Schalter der Nachttischlampe, drückte ihn und drehte sich dann mit so viel Schwung um, wie es ihm möglich war. Gerade erfasste er eine gedrungene Gestalt direkt vor seinem Bett, als ihm schon ein stechender Schmerz in die Schulter fuhr. Sein Schrei hallte im gesamten Gebäude wider, schien ihm. Die Gestalt war mit wenigen Sätzen an der Tür, öffnete und schloss sie so lautlos, als habe sie alle Zeit der Welt, und war fort.
    Schmerz brannte in Ostendarps Schulter, als er hinabsah, rötete sich sein Schlafanzug. Mühsam angelte er nach der Klingel. Der Blutfleck dehnte sich aus, und Angst stieg in Ostendarp auf. Niemand kam. Wenn man mal wirklich jemanden braucht, sind sie Kaffeetrinken oder im zweiten Stock, dachte er. Er klingelte wieder und wieder, wohl wissend, dass es keinen Zweck hatte. Wer, zum Teufel, wollte einem alten Mann ans Leben, ging es ihm durch den Kopf. Als sich nach einer Zeit, die ihm endlos erschien, immer noch keiner blicken ließ, schob er die Beine aus dem Bett, versuchte vergebens seine Latschen zu finden, tappte barfuß durchs Zimmer auf den Gang hinaus. Dann wurde ihm schlecht.

16
    Der Regen war gleißendem Sonnenlicht gewichen. Es flutete in die Küche und brach sich in den bunten Scheiben des alten Küchenschranks. Die Tage waren vergangen wie im Traum. Claire war dageblieben. Manchmal hatte sie mit Anton an einem Auto gewerkelt, und Tom hatte ihnen zugesehen. Abends hatten sie Skat gespielt, getrunken und gelacht bis in die Nacht.
    Anton goss Kaffee nach. »Der C6 muss eine Probefahrt haben. Ich kann euch zurückbringen, wenn ihr wollt.«
    Tom nickte, Claire schüttelte den Kopf. Sie sahen sich über den Küchentisch hinweg an.
    »Also, was jetzt?« Antons Blick flog hin und her.
    »Du kannst die Batterie nicht den ganzen Weg zurückschleppen.« Tom nahm einen Schluck aus dem Kaffeepott.
    »Ich dachte, du wolltest …«, Claire starrte in ihre Tasse, »... auch ans Meer«, fügte sie leise hinzu. Sie hatten bisher nicht darüber gesprochen, wie es weitergehen sollte, ob überhaupt, und wenn ja, wohin. Tom konnte nicht und wollte auch nicht. Irgendeine Entscheidung musste getroffen werden. Immer. Irgendwann. Man würde ohnehin erst später herausfinden, ob es die richtige war. Und was war schon die richtige? Am Freitag war er sicher gewesen, war aufgebrochen, aber heute? In diesem strahlenden Licht sah alles zweifelhaft aus. Er wusste, dass Antons Clonidin nicht ewig reichen würde. Und was würde dann sein? Zu Hause fand er seine »kleine Dosis«, die Pflanzen brauchten Wasser, und die Stammkunden würden sich wundern, wenn er noch länger fortbliebe. Annelie und Frieder konnten nicht ewig seinen Laden führen.
    »Du reparierst die Göttin, und ich sehe nach dem Gewächshaus. Was meinst du?« Tom griff über den Tisch nach Claires Hand, doch sie entzog sie ihm.
    »Bis ihr euch einig seid, kümmere ich mich um den Wagen.« Damit ließ Anton seinen Teller in die Spüle scheppern und stapfte davon.
    »Du willst umkehren?« Claire blickte aus dem Fenster hinaus, auf die glitzernden Tropfen an den Blättern des Apfelbaums.
    »Es ist besser so.«
    »Vielleicht.« Enttäuschung kratzte an ihrer Stimme. Sie räumte das Geschirr ab und ließ Wasser in die Spüle laufen.
    »Claire … Es ist doch völlig idiotisch zu Fuß zu gehen. Ans Meer.«
    »Ja.«
    »Wir brauchen vier bis fünf Tage. Du hast nicht mal Kleider zum Wechseln dabei.«
    »Nein.«
    »Herrgott!«
    »Was?«
    Tom betrachtete ihren abweisenden Rücken. »Ich warte unten.«
    Der C6 stand auf dem Katzenkopfpflaster wie eine Diva im Nachtasyl. Anton verstaute Claires Batterie und klemmte seine Fülle hinters Lenkrad. Neben ihm fiel Tom in den Sitz.
    »Kommt sie?« Anton steckte den Schlüssel ins Zündschloss.
    »Ich denke.«
    »Was macht der Affe?«
    »Hält sich in Grenzen. Hast du noch welche von den Dingern?«
    Anton sah Tom von der Seite an. »Ich dachte, du hättest zu Hause etwas Besseres.«
    »Hab ich.«
    »Und?«
    »Ich weiß nicht. Man kann es ja versuchen. Vielleicht schaffe ich es. Du hast es auch geschafft.«
    »Mir ging es schlecht genug. Wenn ich es nicht gelassen hätte, wäre ich tot. Aber du kommst doch zurecht. Was willst du? Wenn ich das so im Griff gehabt hätte …« Anton hob die massigen Schultern.
    Tom sah Claire die Tür hinter sich schließen. Sie schritt auf sie zu, ihre Brüste wippten unter dem feinen Stoff der Bluse, die Sonne glänzte auf ihrem Haar.
    Anton folgte Toms

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