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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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verrückt, hat der Psychiater gesagt.
    Sie dreht den Kopf, um die andere Wange zu spüren. Echsengesicht kommt auf sie zu, bis sie nur noch die Schuhe sieht. Mann, Sophie, was ist los mit dir. Du blutest. Hör auf damit. Hör sofort damit auf. Sie drückt das Gesicht auf den Boden und reibt die Wange über den Beton. Sie fühlt und will nicht aufhören damit. Etwas zerrt an ihrem Arm. Komm schon! Bist du völlig bekloppt? Ihr Körper wird nach oben gerissen. Sophie? Ihr schwindelt. Die Schuppen an seinem Kinn werden spitz, schwarz, dünn … Tom sollte sich rasieren. Er ist ganz weiß, hat Blut an den Händen.
    »Alles okay mit dir?«
    Sophie nickt. »Du blutest, Tom.«
    »Nein, du. Was machst du denn, Mädchen?« Seine Augen sind nah, zu nah. Ein Zug rauscht vorbei. Toms Haare flattern. Nichts ist okay. Die Angst kommt zurück. Ihr Herz hämmert, und ihr ist heiß, Toms Stimme dumpf wie im Nebel.
    »Du kannst hier nicht bleiben. Sie suchen dich.«
    Jetzt erinnert sie sich. Ein Auto hat sie verfolgt, bis sie in den Feldweg eingebogen ist. »Du musst mich verstecken.«
    »Mit dem Bullen im Haus?«
    »Dann bleibe ich hier.« Hier sieht sie keiner. Es ist besser, wenn sie keiner sieht. Tom setzt sich neben sie und tupft mit einem Taschentuch in ihrem Gesicht herum. Das Taschentuch wird dunkel.
    »Mann, Sophie, du siehst furchtbar aus.«
    Das macht nichts. Dann schaut sie wenigstens niemand an.
    »Du hättest nicht so laut reden dürfen. Der Bulle hat alles mitbekommen. Und du hast den Alten doch gar nicht erstochen. Du kannst so was gar nicht.«
    »Nein?« Sie ist sich nicht sicher, ist sich nie sicher. Sie sieht die blutigen Augenhöhlen, das Messer in ihrer Hand.
    »Ich habe das Messer.« Manchmal hat sie geträumt, dass sie es tut. Oder nicht? Toms Gesicht schwankt.
    »Das hast du dir wieder ausgedacht, weil du ihn hasst.«
    »Aber er ist doch tot? Oder?« Angst lauert schwarz hinter der Pause zwischen den Worten.
    »Ja. Ist er.«
    Sophie atmet ruhiger. »Und wer hat ihn dann getötet?«
    Tom knetet das blutige Taschentuch in seiner Hand. Sophies Wangen brennen, sie fühlt es.
    »Henry sagt, er war es.«
    Sophie schüttelt ihren Kopf, sein Inneres schwappt hin und her.
    Es ist anstrengend, die Worte zu sammeln.
    »Mein Bruder war es nicht. Er sagt das, damit ich nicht ins Gefängnis muss.« Eine neue Welle von Angst droht, über ihr zusammenzuschlagen. »Ich kann nicht ins Gefängnis. Verstehst du, Tom?«
    Tom streicht ihr übers Haar und nickt.
    »Du musst mir helfen.«
    Er holt eine Zigarettenschachtel aus seinem Parka, zündet zwei Zigaretten an und gibt ihr eine. Sie sitzen da und rauchen. Die Lichter eines Zuges tauchen in der Dämmerung auf, kommen näher. Sophie presst die Hände auf die Ohren. Dann donnert er vorüber.
    »Irgendjemand hat ihn getötet. Wenn es deine Mutter und Henry nicht waren ... es gibt bestimmt einige Leute, die Grund genug hatten. Er war nicht gerade ein Sympathieträger, dein Vater.«
    Sophie zischt Tom von der Seite an. »Nenn ihn nicht so!«
    »Schon gut.« Tom hebt die Hand.
    »Ich habe ihn …« Weiter kommt sie nicht.
    »Hör auf damit, ja?« Seine Stimme wird laut. Sophie hasst laute Stimmen, Stimmen, die schreien. Besonders eine, die sie immer wieder hört. Sie schweigt.
    Tom nimmt ihre Hand. Er überlegt: »Im Bootsschuppen ist es zu kalt. Und du musst auf dich aufpassen. Gerade jetzt.«
    »Du hast einen Bootschuppen?«
    Tom nickt und drückt die Kippe aus. Auf dem Bahnsteig gehen die Lichter an und die Fußgängerbrücke wirft einen langen Schatten über die Gleise.
    »Lass uns zum Bootsschuppen gehen. Mir ist nicht kalt. Mir ist immer heiß.«
    Tom sagt eine Weile nichts.
    »Eine Heizung ist da nicht drin. Ich könnte dir einen Schlafsack und ein paar Decken besorgen. Für eine Nacht geht es vielleicht. Bist du sicher, dass du dahin willst?« Sein Blick gleitet an ihr hinab und bleibt an ihrem Bauch hängen.
    Sophie nimmt ihren Rucksack und steht auf. Wenn sie lächelt, brennt ihr Gesicht. »Klar bin ich sicher. Glaube ich.«
    Ein einziger Wagen steht auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof.
    »Wo hast du denn das Teil her?«
    Tom hebt die Schultern. »Von einem Freund.«
    Während sie in den »Wartburg« einsteigen, schleicht ein Streifenwagen heran. Sophie duckt sich und stößt sich den Kopf am Schaltknüppel, dann ist er vorüber.
     
    Das letzte Wegstück ist holprig. Der Wagen stoppt, der Motor stirbt. Tom steigt aus, aber Sophie schaut eine Weile auf das Holztor.
    »Komm

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