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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Erstarrung überwunden hatte und ihr nachlief, prallte er auf der Treppe gegen die alte Frau aus dem Laden.
    »Warten Sie, Herr Böse«, sagte sie und stellte sich ihm in den Weg. Aber Conrad schob sie zur Seite und eilte die Treppe hinab, an der Theke vorbei und aus dem Laden hinaus. Sophie Freitag startete bereits den Mazda, während Conrad in seinen vielen Taschen nach dem Autoschlüssel fahndete. Der Wagen verschwand in der nächsten Kurve. Conrad fluchte, sah aus den Augenwinkeln Tom in der Tür stehen und telefonieren, dann raste er los und hinterließ eine Sandwolke.
    Die Sonne stand schräg und Conrad konnte nur vor jeder weiteren Kurve die Bremslichter des Mazdas zwischen den Schatten der Bäume aufleuchten sehen. Nach wenigen Kilometern sah er nichts mehr. Sophie musste irgendwo abgebogen sein. Aber wo? Wütend auf sich selbst wendete Conrad und fuhr die Allee zurück. Rechts fand er einen Feldweg. Aber der endete nach ein paar hundert Metern mitten im Weizen, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als im Rückwärtsgang zurückzufahren. Inzwischen konnte Sophie sonst wo sein.
    Langsam und nach einem weiteren Abzweig Ausschau haltend, rollte er die Straße entlang. Schließlich fand er eine schmale Einfahrt auf der linken Seite und bog dort ab, auf einen mit Katzenkopf gepflasterter Weg, der wenig mehr als Wagenbreite hatte. Conrad hoffte, dass ihm kein Gegenverkehr die Weiterfahrt unmöglich machte. Beidseits des Weges versperrten Ginsterbüsche und Schlehen die Sicht. Er mochte zehn oder fünfzehn Minuten gefahren sein, ohne dass sich die Landschaft änderte oder sich ein weiterer Abzweig zeigte. Von Sophies Auto keine Spur. Sophie. Er hatte gleich ein ungutes Gefühl gehabt. Hätte er doch als Erstes mit ihr gesprochen, wie er es vorgehabt hatte. Dann hätte er sie in sein Büro bestellt, statt ihr nachzujagen. Er könnte sich ohrfeigen.
    Es war sinnlos weiterzufahren. In diesem Land gab es einfach zu viel Gegend für einen einzelnen Hauptkommissar. Nach einem weiteren Kilometer trat das Gebüsch zu einer Ausweichbucht zurück. Er hielt an. Zornig schlug er aufs Lenkrad. Verdammt, verdammt, verdammt! Dann rief er seinen Freund Wolf Seidel an. Es war ihm scheißegal, dass der schon Feierabend hatte.
    »Kannst du einen Wagen zur Fahndung ausschreiben?«
    »Conrad. Was ist los? Wo steckst du? Wolltest du nicht zum Essen kommen? Theresa und die Kinder haben sich schon auf dich gefreut.«
    Das hatte er total vergessen. »Vielleicht ein andermal. Danke, Wolf. Es ist gerade ganz schlecht.«
    »Was ist passiert?«
    Conrad setzte den Freund ins Bild. »Hast du alles?«, fragte er dann.
    »Ja, klar. Ich sehe zu, was ich machen kann, und halte dich auf dem Laufenden.«
    »Danke, Wolf. Du hast was gut bei mir.«
    »Ich komme darauf zurück«, grinste der in den Hörer.
    Conrad wendete und fuhr zurück zum Laden.
    Schweigend stellte ihm die Alte ein Glas Wein auf einen Plastiktisch und drückte ihn auf einen Stuhl.

Sophie
    Sophies Finger tasten über den Boden. Hart. Rau. Beton. Gut. Oder? Dinge sind einfach Dinge. Tom hat das gesagt. An manchen Tagen ist das so, an anderen weiß sie es nicht.
    Mann, Sophie. Er hat sie zu dem Pfeiler der Fußgängerbrücke geführt. Fass doch mal an. Er hat ihre Hand genommen und sie auf das Schwarz gelegt. Siehst du? Stahl. Ein ganz normaler Stahlträger. Sie hat schwarz gesehen, sonst nichts. Ein schwarzer Balken oder eine Lücke in der Zeit. Das Schwarz macht ihr Angst. Der Zug, der auf sie zurast, auch. Donner. Sturm. Dann ist er weg. So ist es immer. Das war …? Wann war das noch mal?
    Sie legt sich flach auf den Boden, die Wange am Beton. Hart. Tom hat Recht. Sie reibt ihre Wange ein wenig über das Raue. Es kratzt. Hier ist ein guter Platz. Tom hat sie mit seinem Handy hergelotst. Am Ende des Bahnsteigs hinter dem alten Transformatorenhäuschen. Hierher kommt keiner. Keiner außer Tom.
    Heute hat er sein Echsengesicht. Die Schuppen um sein Kinn sind graugrün und irgendwie bemoost. Wenn er sein Echsengesicht hat, ist er komisch. So mag sie ihn nicht. Steh auf Sophie, sagt er. Aber sie will nicht. Sie will das Raue fühlen, das an ihrer Wange kratzt. Er hat ihr gar nichts zu sagen. Du kannst nicht hier bleiben, sagt er. Die Nächte sind noch kalt. Niemand hat ihr was zu sagen, nicht einmal ihr Vater. Der schon gar nicht. Der kann nichts mehr sagen. Es kichert böse von rechts. Sophie will das nicht hören. Sie ist nicht verrückt. Wenn die Stimmen innen sind, ist man nicht

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