Freitags Tod
Cola. Sie löst das Papier und beißt hinein. Die Schokolade ist weich und süß.
»Wo bleiben Sie heute Nacht?«
»Ich weiß es nicht. Was ist mit Tom?«
»Wir haben ihn in Haft genommen.«
»Warum?«
»Wie wäre es, wenn wir zu ihm fahren?«
Das wäre gut, denkt Sophie. Bei Tom ist immer alles gut.
»Also dann …« Er schließt die Beifahrertür, geht um den Wagen herum und setzt sich ans Lenkrad. Während der Motor anspringt, klacken die Türschlösser. Sophie zuckt. Kurz blickt Böse sie von der Seite an, dann beißt sie noch einmal von ihrem Schokoriegel ab .
Eine Weile holpert der Wagen über den Feldweg, dann biegt er auf die Allee ein. Langsam ebbt der Kopfschmerz ab. Sophie lehnt den Kopf an die Scheibe an und fühlt sich unendlich müde. Aus dem Radio tönt leise Musik. Die Landschaft zieht an ihnen vorüber. Sophies Kopf ist leer. Ich sollte nicht schlafen, denkt sie. Dann schläft sie.
29
»Komm raus. Weißt du, wen ich hier habe?« Das Telefon am Ohr blickte Conrad durchs Seitenfenster auf die schlafende Frau. Blonde Strähnen hingen ihr ins Gesicht, dunkle Schatten unter den Augen. Die Unterlippe zitterte ein wenig, ohne Make-up sah Sophie Freitag fast kindlich aus.
»Ja, genau. Du kannst die Fahndung abblasen.« Conrad steckte das Handy ein.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis Wolf Seidel endlich aus der Tür des Polizeipräsidiums trat.
»Das ist sie?«, fragte Seidel. Conrad nickte.
»Wo hast du sie eingesammelt?«
»Eine lange Geschichte. Hast du etwas gegen Kopfschmerzen?« Sein Hinterkopf wies eine beachtliche Beule auf. Aber er konnte Wolf natürlich nicht erzählen, dass Sophie Freitag ihn außer Gefecht gesetzt und er es nur ihrer Angst zu verdanken hatte, dass sie nun in seinem Wagen saß.
»Ist sie verletzt?« Seidel ging ganz dicht an die Scheibe heran und besah den Verband. Plötzlich riss die Frau die Augen auf, große graue Augen. Seidel erschrak und trat einen Schritt zurück. Die beiden Polizisten tauschten einen Blick, bevor Conrad die Tür öffnete.
»Kommen Sie, Frau Freitag.«
»Wo ist Tom?« Sie rieb sich die Augen, nahm den Rucksack, den sie die ganze Fahrt umklammert gehalten hatte, und stieg aus, schlaftrunken taumelte sie noch. Conrad streckte den Arm aus und wies auf den Eingang.
Tom und Sophie saßen sich gegenüber und schwiegen. Im Licht des Vernehmungsraums wirkten ihre Gesichter fahl.
»Was glaubst du, was passiert?«, fragte Wolf Seidel. Er lehnte am Tisch und sah durch die Scheibe, die vom angrenzenden Raum aus verspiegelt war. Conrad hob die Schultern. »Keine Ahnung. Sie wird ihm schon nichts tun.«
»Was meinst du damit?«
»Sie kommt mir … wie soll ich sagen, unberechenbar vor.«
Aus dem Lautsprecher tönte ein Räuspern.
»Sie müssen dich gehen lassen, Tom«, sagte Sophie.
Tom nahm ihre rundliche Hand. »Geht es dir gut?«
Sie nickte. »Warum halten sie dich überhaupt fest. Du warst es nicht. Warum auch?«
»Sie können uns hören, Sophie.«
Conrad kam es vor, als blicke Tom ihm direkt ins Gesicht.
»Ich weiß. Sie können ruhig alles hören. Die ganze Geschichte.«
»Halt den Mund, Sophie. Du redest dich um Kopf und Kragen.«
Sie lehnte sich über die Tischplatte. »Ich habe viel zu lange den Mund gehalten. Es wäre alles anders gekommen, wenn ich das nicht getan hätte, wenn ich geredet hätte.«
»Dann ist hier nicht der Ort, an dem du damit anfangen solltest.«
»Nicht? Willst du hier verschimmeln, oder was? Mensch, Tom, ich war so froh, dass ich zu dir konnte, weg aus dieser Scheiße, damals und auch jetzt. Ich hab ja nicht gedacht, dass sie dich einbuchten, ausgerechnet dich! Wie kommen die denn da drauf?«
Conrads Telefon klingelte, er sah aufs Display, »Scheiße«, erntete einen genervten Blick von Wolf Seidel und wies den Anruf ab.
»Dein …« Tom machte eine Pause. »Gottfried hat mich extra in seinem Testament bedacht. Nett, nicht?«
Sophie riss die Augen auf. »Er hat was? Aber …« Sie überlegte einen Augenblick. »Du hättest doch sowieso etwas vom Erbe abbekommen.«
»Aber nicht so viel.«
»Warum hat er das gemacht?«
»Das weiß ich doch nicht. Vielleicht wollte er euch eins auswischen, euch unter Druck setzen, das Arschloch. Was weiß ich.« Tom stand auf, ging durch den Raum, rieb sich die Oberarme und setzte sich wieder.
Plötzlich begann Sophie zu glucksen, lauter und lauter, bis sie in schallendes Gelächter ausbrach.
Conrad und Seidel tauschten einen Blick.
Allmählich beruhigte sie sich und
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