Freitags Tod
war er doch bei seiner fetten Freundin. Tolles Alibi.«
»Er war nicht bei seiner fetten Freundin. Wo er tatsächlich war, konnte er aber schlecht sagen, wenn er sich überhaupt erinnert hat.« Wieder grinste Julia ihre Kollegen an. Auch Conrad wurde es allmählich zu viel.
»Ihr werdet es nicht glauben.« Sie lehnte sich über den Tisch, nahm ein Käsebrötchen und sprach kauend weiter. »Er hat sich im Bett von Frau Großschulte aufgehalten.«
»Aha«, machte Sven. Conrad wartete, während Julia einen Schluck Kaffee nahm.
»Und weiter?« Conrad fand, dass sie nervte.
»Frau Rita Großschulte! Unser aller stellvertretende Bürgermeisterin«, sagte sie, als erklärte das alles.
»Und woher weißt du das?«
»Von Sonja.«
»Von Sonja, der Klatschtante?« Sven schnaufte verächtlich. »Wäre sie nicht Rechtsanwaltsfachangestellte, sie könnte als Redakteurin der Klatschspalten der Coesfelder Allgemeinen arbeiten, wenn die Zeitung bereit wäre, auf den Realitätsgehalt von Meldungen zu verzichten.«
»Du bist gemein, Sven. Sie mag ein bisschen viel reden, aber sie sagt nichts Schlechtes über Leute«, verteidigte Julia die Freundin, mit der sie sich einmal im Monat zum Stammtisch im »Witten Schwan« traf. »Außerdem habe ich es bereits nachgeprüft. Ich habe Herrn Großschulte angerufen.«
»Das verstehe ich nicht.« Conrad angelte das letzte Brötchen vom Teller. »Weiß der Mann denn von der Affäre seiner Frau?«
»Sonja hat es doch von ihm selbst erfahren, denn er ist in die Kanzlei gekommen, um sich wegen seiner Scheidung beraten zu lassen.«
»Ziemlich diskret, deine Sonja.« Conrad hoffte, dass seine eigene Scheidung damals nicht durch die Schwatzhaftigkeit einer Rechtsanwaltsgehilfin von ganz Coesfeld diskutiert worden war. Allerdings war er bei Weitem nicht so interessant wie der Mann der stellvertretenden Bürgermeisterin, der zudem als Erbe und Direktor einer eingesessenen Firma über ein nicht unbeträchtliches Vermögen verfügte.
»Sie hat es mir im Vertrauen gesagt.«
»Und wie vielen anderen noch?«, warf Sven ein. Julia ignorierte ihn.
»Großschulte hat Eck volltrunken im Bett seiner Rita erwischt. Er ist früher als erwartet von einer Geschäftsreise zurückgekommen. Ich frage mich, ob die Großschulte in dieser Nacht mit dem Kerl viel Spaß gehabt hat, ihr wisst schon.« Sie schaute ihre beiden männlichen Kollegen ein wenig verlegen an.
»Trotzdem war Großschulte natürlich aufgebracht. Wahrscheinlich hat Eck Schwein gehabt, dass er so besoffen war, sonst hätte Großschulte ihn bestimmt fertiggemacht. Er ist ein Bär von einem Mann, vierschrötig und cholerisch, ganz anders, als man sich einen Herrn Generaldirektor vorstellt. Stattdessen hat er ihm noch ein Taxi gerufen. Der Fahrer erinnerte sich gut an diesen Transport, weil er Eck gegen vier Uhr morgens in den Aufzug seines Hauses gestopft hatte.«
»Und wieso gibt die Eichler dem Eck dann ein Alibi?« Sven zielte mit der zerknüllten Folie des Schokoriegels auf den Papierkorb und verfehlte ihn. »Ist die nicht stinksauer?«
»Ich denke, sie weiß gar nichts von der Affäre. Er muss ihr irgendeine Geschichte aufgetischt haben, von wegen mit Freunden unterwegs gewesen und sich nicht erinnern können. Als dann ausgerechnet in dieser Nacht Freitag ermordet wurde, war beiden klar, dass er in Verdacht geraten würde. Er wird sie um das Alibi gebeten haben. Bisher weiß die Eichler nicht, was Eck wirklich in der Nacht getan hat.«
»Sie wird ganz schön giften, wenn sie es erfährt.«
»Ab jetzt ist das nicht mehr unsere Sache, Sven. Ein Verdächtiger weniger ist auch was. Hast du die Akten schon zum Betrugsdezernat gegeben?« Conrad sah Julia an, sie nickte.
»Wirklich schade, dass Eck es nicht gewesen ist, bedient sich einfach am Geschäftskonto .«
»Warum hat Freitag seiner Frau eigentlich keine Kontovollmacht im Falle seines Todes eingeräumt? Das wäre das Nächstliegende gewesen«, fragte sie.
Darauf wusste Sven etwas zu sagen. »Das Testament wurde bei der Hausdurchsuchung im Nachtschränkchen von Hedwig Freitag gefunden. Es stammt aus dem Jahre 2004, als Haus Abendsonne eröffnet wurde, und begünstigt die Familie nicht. Die hätten nur den Pflichtteil bekommen, der Rest sollte an seine Vereine, die Rotarier, den Tennisclub und eben an Tom Sebald gehen.«
»Eine weitere Demütigung.« Julia schob einen Ordner hin und her. »Auch die Freitags hätten allen Grund gehabt, dieses Ekel umzubringen. Und sie sagen ja auch,
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