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Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt David
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plötzlichen Aufbrausens darin zu suchen, daß er bei mir nicht den Widerstand vorgefunden, den er erwartet hatte - auf Grund der heiklen Telefongeschichte? Dabei hatte ich mich so fair benommen, und er wurde plötzlich unfair. Also unterschätzte er mich. Und das kann ich schon gar nicht leiden. Wir werden sowieso immer unterschätzt.
    „Gelogen“, wehrte ich mich, „das klingt viel zu dick. Das war doch bloß eine kleine Schwindelei, und ..."
    "... mit Schwindeln fängt es an, mit..." Nein, er sagte nicht, womit es aufhörte, nein, nichts, rein gar nichts kam mehr heraus. Wir sahen uns fest in die Augen. Ich guckte, Papa guckte, ich guckte geradezu klassisch, wie im Fernsehen, da gucken sich auch manchmal zwei an, ohne was zu sagen, und doch weiß man, was jeder meint. Und Mama guckte auch mit, mal zu mir, mal zu Papa. Wie ein Ringrichter. Und da waren wir uns plötzlich alle drei einig.
    Vater unterschrieb und sagte: „Das kommt mir aber nicht mehr vor, Heinz!“
    „Nein“, schwor ich und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Doch das schickte sich in meinem Alter nicht.
    Plötzlich krachte ein Schuß. Eine Glasscheibe splitterte. Eine Frau schrie. Ein Stuhl fiel um.
    Im Fernsehen hatte der Kriminalfilm begonnen.

2

    Mit den Worten: „Solche Filme sind noch nichts für dich“ hatte mich mein Papa sicherheitshalber ins Bett geschickt. Befehlsgemäß niedergestreckt lag ich da, grübelte über das ,noch nichts' nach, tröstete mich mit der Perspektive und dem Krimikrach, der durch die Schlafstubentür drang. In meiner Phantasie stellte ich mir vor, wie sie im Fernsehen vor Vaters und Mutters Augen lustig mordeten. Dazu blubberte eine Musik, die nichts Gutes ahnen ließ und mehr einer Schießerei aus Trompeten und Posaunen ähnelte. Zwischendurch klingelte ein Telefon im Krimi und erinnerte mich an das Geläut des Herrn Knopke. Ich dachte an mein Tagebuch. Ein Tagebuchschreiber lebt immer in Spannung, zittert geradezu vor Neugier. Er weiß nur, daß es weitergeht, er weiß nie, wie es weitergeht, doch eins weiß er ganz genau: Er darf alles reinschreiben, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. Also lauschte ich auf den Fortgang meines Tagebuches.
    Plötzlich brüllte es: „Verdammte Sauerei!“ Darauf antwortete unsere Kirchturmuhr mit zwei harten Schlägen. Ein aufgeschreckter Hahn rief, ein Hund bellte zurück. Es war halb neun und in der Wohnstube ganz still. Obwohl die ,verdammte Sauerei' in den Kriminalfilm hineingepaßt hätte, war sie von keinem Schauspieler, sondern von meinem Vater gesprochen worden.
    Später erfuhr ich, was ich ahnte: Unser in der Ecke stehender PATRIOT hatte den Krimi nicht ausgehalten. Somit war die Technik daran schuld, daß meine Eltern früh und unbefriedigt zu Bett kamen. Da sie annahmen, einen Jungen zu haben, der selbst bei einigen Morden friedlich schlafen könne, unterhielten sie sich ungezwungen über den nur zur Hälfte gesehenen Film und den vermutlichen Täter.
    „Ich glaube, es war der Herr Köfer“, stellte mein Vater fest, wogegen meine Mutter energisch protestierte und bemerkte, der Herr Köfer komme nicht in Frage, der habe ein so gutmütiges und spaßiges Gesicht.
    „Denk an das Ohrläppchen, Liesel. Er zupfte immerfort am linken Ohrläppchen. In Kriminalfilmen muß man auf Kleinigkeiten achten.“
    „Ach was“, widersprach Mama, „der Herr Köfer zupft sich im lachenden Bären auch andauernd am linken Ohrläppchen. Nein, nein, mit dem Krimi hat das nichts zu tun.“
    Enttäuscht schwieg Papa. Mama kombinierte.
    Die Straßenlaterne vor unserem Fenster beschien ihren Mast und machte einen Lichtklecks auf die Straße.
    „Du“, meldete sich Mutter geheimnisvoll, „ich denke vielmehr, es war dieses schreckliche Weibsbild.“
    Vater fuhr erschreckt hoch. „Etwa die Nutte?“
    „Pst“, machte Mama, „pst“ und „pst“.
    Vater fiel sofort wieder um.
    Ich wunderte mich, daß Mutter den Vater nicht verbesserte ; er hatte sicherlich Niete sagen wollen.
    „Ein bißchen eleganter könntest du dich aber doch ausdrücken“, tadelte Mama.
    Papa schwieg.
    Also hatte Mama recht.
    Und das entsetzte mich. Hatte er sich nicht versprochen? Ich wurde konkret: „Isn das, eine Nutte?“
    Mit einemmal saßen meine Eltern aufrecht im Bett, pechschwarz und im grellen Gegenlicht der Straßenlaterne. Es sah aus wie Vater und Mutter mit Heiligenschein.
    „Du schläfst noch nicht?“ Diese Antwort kam zweistimmig zu mir herüber.
    Was sollte ich antworten?

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