Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen
Als ich die weite Vorwiese betrat und das Gartentor quietschend dagegen protestierte, flüchteten Gänse, Hühner, Enten mit Geschrei und Flügelschlag; selbst die fünf angepflockten Ziegen schienen sich lieber vor Wut in ihren eigenen Ketten erwürgen zu wollen, als mich zu sehen. Wilhelm hatte sein Tierreich so dressiert, daß es schon im Vorgarten seine Meinung demonstrierte. Am gastfreundlichsten bewegte sich sein schwarzer Metzgerhund. Er trottete mir gleich mit der Hundehütte entgegen, verfitzte sich an einem Baum und schlug lang hin. Darauf schaltete er das Bellen aus, verdrehte die Augen und winselte um Hilfe.
Wilhelm stand auf dem Misthaufen und leitete die Schlacht. Wie von einem Feldherrnhügel. Er schien, wie manche Feldherrn, nicht begriffen zu haben, daß der Krieg längst aus war; denn die Ziegen hingen gefesselt in den Ketten, der Hund lag noch immer mit seiner Hütte auf dem Bauch, und das übrige Fußvolk, Enten, Hühner, Gänse, war geflohen.
Friedlich sagte ich: „Guten Tag, ich komme für den Friedensfonds sammeln.“
Über meine Begrüßung hinweg donnerte ein Geschwader Sporttauben, das eben den Schlag verlassen hatte. Wilhelm guckte in den Himmel und hatte meinen Satz überhaupt nicht kapiert.
„Geh mal immer rein“, sagte er wohlwollend. Jetzt wußte ichs genau: Meine Begrüßung hatten die Tauben mit fortgenommen.
Von seinem Stubenfenster aus sah ich, wie er sein Geflügel in den Nachbargärten einsammelte. Auch den Metzgerhund stellte er wieder auf die Beine und die Hütte zurück neben die Haustür.
Der nächste Friedensfreund konnte kommen.
Und der kam!
Ich traute meinen Augen nicht: Es war Lehrer Lampel. Im Trainingsanzug mit Milchkrug.
Aber er hatte noch einen weiten Weg, so daß Ziegenwilhelm zuvor ruhig in die Stube kommen konnte, um zu sagen: „Also, du willst Fall-Äppel.“
„Fall-Äppel?“
„Na, ich dächte, du hättest vor der Tür etwas von Appeln gesagt?“
Natürlich wußte ich, Wilhelm verkaufte immer Fall-Äpfel. „Nein, an dem Mißverständnis sind nur die Tauben schuld, Herr Wilhelm."
„So! Na und?“
„Ich komme für den Friedensfonds sammeln.“
„Ach nee“, Wilhelm machte sich groß, und als er am größten war, sagte er: „Nu nimm mal den Wisch wieder schön mit und sage dem feinen Herrn Bürgermeister, er wüßte schon Bescheid.“
„Ich komme aber gar nicht vom Bürgermeister“, antwortete ich verlegen.
„Das ist völlig Wurscht, wo du herkommst. Es kommt alles aus einer Richtung.“
Das stimmte.
In diesem Augenblick durchschritt Lehrer Lampel die Vorwiese. Zu meinem Erstaunen grüßten ihn Ziegen, Hühner und Enten wie einen alten Bekannten, gackerten und meckerten höflich. Der Hund stand sogar stramm und salutierte. Erst jetzt fiel mir ein, daß Ziegenwilhelm der Onkel von Herrn Lampel ist.
Am liebsten hätte ich zärtlich Lämpchen zu meinem Klassenlehrer gesagt und „Gut, daß Sie kommen, ich brauche Hilfe“. Ich sagte zu Herrn Wilhelm, daß ich von der Schule aus sammeln käme.
„Das haben wir gleich“, antwortete er, verschränkte die Arme auf den Rücken und blickte, auf den Stiefelspitzen wippend, sehnsüchtig auf die Türklinke. Der Druck von draußen darauf wirkte drinnen wie ein liebes Winken. Und ich dachte: Jetzt kommt der Einzug der Agitatoren. Wilhelm wird dialektisch durchgewalkt.
„Gut, daß du kommst“, begrüßte er Herrn Lampel.
Mich wunderte, daß Ziegenwilhelm sich genauso über das Erscheinen meines Lehrers freute wie ich. Da konnte etwas nicht ganz in Ordnung sein.
„Tag, Onkel, Tag, Heinz!“
Onkel? Das ärgerte mich irgendwie. Wenn ein Lehrer Onkel sagt, verliert er an Würde. Zumindest in dieser Situation, dachte ich.
„Hast du mir diesen Bengel auf den Hals geschickt?“ Vorsichtshalber errötete Herr Lampel erst einmal. Und wie er so dastand in seinem weinroten ausgebeulten Trainingsanzug und mit dem blauen Milchkrug in der Hand: Nein, sehr heldisch sah das nicht aus.
„Es gehn alle aus den oberen Klassen sammeln“, entschuldigte sich Herr Lampel und hatte den Ton sehr gut getroffen.
„Ja, ja, ich weiß“, sagte Wilhelm spöttisch, „es gehn immer alle sammeln, nicht nur die aus den oberen Klassen.“
Herr Lampel dagegen wollte die Sache vom Halse haben und meinte: „Na, Onkel, gib ihm schon eine Mark, und der Fall ist erledigt.“
Das war ein gutes Argument. Schöner wäre es natürlich gewesen, wenn Mona Lisa dazu auch noch gekniet hätte.
Aber so machte das auf
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