Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen
Ziegenwilhelm keinen Eindruck, im Gegenteil, er blies zum Angriff und die Backen auf: „Bei dir marschieren sie wohl auch schon im Kreise, was?“
Mona Lisa wurde noch röter, wenn auch nur äußerlich. Trotzdem lächelte er.
„Ne Mark soll ich geben?“ schrie Wilhelm. „Wofür eigentlich, hm?“
Das war eine schöne Gelegenheit für Herrn Lampel, alle Argumente auszupacken. Er hatte genug, das wußte ich aus der Schulstunde. Lampel hat immer Argumente. Eigentlich hätte Mona Lisa nun etwas vom Frieden und so sagen müssen. Natürlich viel besser als zu uns in der Klasse; Wilhelm ist kein Kind. Aber Lampel packte nicht aus, Lampel sagte nichts vom Frieden, sondern schwieg vornehm, lächelte verlegen; und statt vom Weltfriedenslager zu reden, redeten die beiden plötzlich von Zement. Mich schienen sie ganz vergessen zu haben. Zement!
„Und solange mir der feine Herr Bürgermeister keinen gibt, kriegt ihr von mir auch nichts.“
Wer war ihr? Irrtümlicherweise glaubte ich, Herr Lampel würde ihn danach fragen. Nichts. Mona Lisa fing an zu wimmern: „Onkel, was hat der Junge denn mit deinem Zement zu tun?“
Hier hatte Herr Lampel ein bißchen recht. Trotzdem, es war nur der halbe Lampel; der ganze Lampel-Lehrer hätte fragen müssen: Was hat denn dein noch nicht erhaltener Zement mit dem Friedensfonds zu tun?
Wilhelm war da ganz anders. Wilhelm wurde konkret und entzückend leichtsinnig. „Ich will dir mal was sagen: Irgendwer“, er machte eine gekonnte Pause, guckte auf das Foto seiner toten Frau, die auf der Kommode lachte, „irgendwer hat was mit Zement zu tun. Wenn du mein Haus erben sollst, laß ich mir nicht nachreden, daß ich ein Erbe mit Krätze an den Wänden hinterlassen hab.“ Nun war mir vieles klar. Herrn Lampels Weltfriedenslager lag außerhalb des Grundstückes dreihundertdrei. Das, was Wilhelm gesagt hatte, lastete schwer auf Mona Lisa. Ich sahs ihm an. Der blaue Milchkrug hing wie ein kleinbürgerliches Überbleibsel an seiner Hand und machte ihn bewegungsunfähig. Dabei konnte er sicher sein: Wenn er weiter so tapfer mit Wilhelm kämpfte, bekam er noch die Ziegenmilch und das Häuschen.
Wilhelm schwieg. Das konnte er sich leisten bei der Verteidigung.
Herr Lampel schwieg auch, weil er seine Zukunft nicht gefährden wollte.
Also mußte ich etwas sagen. Ich zitierte, um sicherzugehen, Vater wie auch Herrn Lampel. „Herr Wilhelm“, sagte ich, „das ist für eine gute Sache. Und daß der Weltfrieden erhalten bleibt, ist sicherlich auch Ihr Wunsch!“
„Amen“, antwortete Wilhelm und lachte. „Das haben sie dir aber schön eingebleut in der Schule.“ Er sah dabei vorwurfsvoll zu Herrn Lampel.
Mona Lisa schien das Herz voll zu sein; ihm ging der Mund über: „Onkel, gib ihm doch die Mark“, er zwinkerte Ziegenwilhelm kumpelzünftig an, „es ist ja wirklich für nichts Schlechtes.“
„Nun halt mir aber die Kiemen fest“, antwortete der Onkel gereizt, „du mußt doch bloß so quatschen, weil du in der Partei bist.“
Daß Herr Lampel nicht widersprach und nur lächelte, wunderte mich jetzt nicht mehr. Fröhlichen Gesichts machte Mona Lisa etwas, was ich jetzt noch nicht sagen darf. Danach reichte er mir die Milchkrughand, verabschiedete mich wie ein Hausbesitzer und sagte gütig: „Damit ist die Geschichte aus der Welt geschafft, Heinz.“
Im Hintergrund feixte Ziegenwilhelm.
Sein Hund ließ mich passieren, schwieg eisig wie all das übrige Viehzeug hinter meinem Rücken. Man entließ mich ohne Zwischenfälle.
Auf der Dorfstraße lampelte es noch eine Weile in meinem Kopf. Da hat also Mona Lisa die Geschichte aus der Welt geschafft, dachte ich. Sieh mal an. Und wie meisterhaft er das gemacht hat. Ich kenne Lehrer unserer Schule, die hätten bei dieser Gelegenheit Ziegenwilhelms verschüttetes Bewußtsein ausgebuddelt. Aber Herrn Lampel schien das nur außerhalb seiner Verwandtschaft ratsam zu sein.
An der Konsumbrücke traf ich Hufeisen aus meiner Klasse. „Kommste etwa vom Ziegenwilhelm?“ fragte er und grinste schadenfroh.
Ich nickte.
„Was fehlt ihm denn diesmal?“
„Zement!“
„Bei mir wars damals Maschendraht für den Hühnergarten.“
„Und mir hat mal einer erzählt, daß es vor dem Maschendraht Dachpappe gewesen wäre.“
„Mein Vater sagt immer“, berichtete Hufeisen, „der Ziegenwilhelm sei wahrscheinlich durch die Reißzwecken so eklig geworden, die er drin in der Stadt sein Leben lang produziere. Immer Reißzwecken, denk mal, bis zum
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