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Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt David
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auszudiskutieren. Also mußte ich husten. Man kann zwei bis drei Minuten qualifiziert husten und nachher noch eine Minute lang nach Luft schnappen. Was macht man jedoch zehn Minuten lang? Schließlich konnte ich Papa höchstens fünf Minuten für die Aussprache bewilligen - in seinem Zustand. Irgendwer klopfte an die Tür.
    Sofort ließ ich meinen Husten aussetzen. Herr Knopke trat in die Stube. Er stand da wie ein Geist in Stiefeln und lächelte optimistisch wie auf einem Ersten-Mai-Plakat. Mein Glück war Papas Unglück. Papa wollte auch lächeln, aber es blieb bei wollte; denn Herr Knopke ging an ihm vorbei, als wäre er nicht anwesend, sicherlich nur, um Papas Wunsch auch zu entsprechen.
    „Liesel“, sagte Herr Knopke, „wenn dein Mann zurückkommt, sag ihm, er soll den Brief morgen früh mit in die Stadt nehmen. Da ist der Kostenanschlag für den Rinderstall drin und ein Schreiben an den Vorsitzenden.“
    „Mach ich, Karl“, flötete mein Vater fröhlich und stolperte fast vor Eifer Herrn Knopke entgegen.
    Mama nickte verlegen.
    Herr Knopke wollte von Papa überhaupt nichts wissen und sagte: „Und dann, Liesel, hätt ich noch etwas gehabt, aber das muß ich mit ihm selber ausmachen.“
    „Aber Karl“, lenkte Mama ein und blickte von Karl zu Richard.
    „Nu laß doch mal den Quatsch, Karl! Komm, setz dich schön, ich bitt dich“, flehte mein Vater und schob dem Mann großzügig einen Stuhl zurecht.
    Das alles war recht spaßig. Vater wollte Herrn Knopke jetzt einreden, daß er da sei.
    „Nimm Platz“, bettelte auch Mama, „komm, sei nicht nachtragend, Karl.“
    Herr Knopke setzte und setzte sich nicht. Ja, er tat sogar so, als gäbe es in unserer Stube gar keinen Stuhl, keinen Tisch, keinen Vater. Ganz unverdrossen sagte er zu meiner Mutter: „Grüße deinen Herrn Gatterich, Liesel, wenn er zurückkommt, ja?“
    „Nu sei doch nicht so albern, Karl“, bemühte sich abermals Papa. „Das war doch nur ein großes Mißverständnis! Mein Junge, weißt du, mein Junge, der hat das vermasselt, und da ..."
    Herr Knopke ging, und ich war zum zweitenmal schuldig.
    Inzwischen war es auch fünf vor acht Uhr und für mich der richtige Augenblick, mein Mißgeschick aus der Schultasche zu packen. Im Schülertagebuch hatte mein Vater den Satz zu unterschreiben: „Heinz hat mich heute belogen!“ Das war eine Tatsache. Wie in Blei gegossen stand sie da. Dieser Satz ließ sich weder biegen noch umgießen. Mein Lehrer hatte nämlich gefragt, ob alle ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Wer nicht, solle aufstehen. Ich hatte nicht und stand nicht auf, weil ich annahm, er kontrolliere das nicht, schließlich macht er es manchmal so. ,Na, da werden wir mal sehen, ob das stimmt, hatte Herr Haußmann gesagt. Und da war ich fällig. Ich gebe zu, daß es nicht jedem täglich schriftlich bescheinigt wird, wenn er einmal geschwindelt hat. Aber in der Schule ist das anders: Wir werden erzogen!
    Vater starrte auf den Satz, als wäre er mein Nachruf. Zunächst sagte er nur: „Ach ...“
    ,Ach‘ ist immer gut. Zudem hatte er einen neutralen Ton gewählt, der zu nichts verpflichtete. Das erschien mir sehr ungewöhnlich, aber ebenso geschickt und gekonnt, wenn ich an die Situation dachte, in der er sich befand.
    Papa machte ein bißchen Platz auf dem Tisch.
    Er stieß dabei eine Tasse fort, die über eine Gabel purzelte und in die Fischgräten fiel. Doch sofort stellte er sie wieder auf, ja, es sah sogar aus, als wäre er über diesen Unfall selber entsetzt. Und das war ein gutes Zeichen.
    Ruhig sagte er: „Heinz, das hätte ich nicht erwartet.“ Er stand auf, holte seinen Füllfederhalter und runzelte die Stirn.
    „Ich auch nicht“, meinte Mama. Sie tat mir etwas leid. Mama ist nämlich im Elternbeirat und hat mich in persönliche Pflege genommen. Und dort kann sie dann schlecht über andere Schüler sprechen, wenn es beim eigenen nicht in Ordnung geht.
    „Papa hätte auch unterschreiben müssen bei vergessenen Hausaufgaben, und da ich nie etwas vergessen darf, habe ich es mal so versucht. Bei manch anderen klappt es, bei mir gehts schon beim erstenmal schief.“

    „Gelogen ist gelogen“, sagte Papa. „Und wer lügt, betrügt auch!“ Das sagte er allerdings viel zu laut.
    Mutter guckte ihn an. Sie wollte mit dem Blick Papa bremsen. Aber der war nicht mehr zu halten. Sicherlich sah er den Satz: HEINZ HAT MICH HEUTE BELOGEN von Haus zu Haus wandern, von Konsum zu Konsum, im Dorfmaßstab. Oder war der Grund seines

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