Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition)
zu leben. Und ich bin ganz glücklich damit.« Sie starrte mich ungläubig an und lief dann schnurstracks zu Mutter.
Ich ging in den Garten hinaus, nur, um sofort von Tante May angesprochen zu werden. »Emma, weißt du, du könntest es uns ja sagen, wenn du ... äh, also ... du weißt schon«, flüsterte sie. Offenbar wollte ihr das Wort lesbisch nicht so recht über die Lippen.
»Bin ich nicht, Tante May. Ich habe nur noch keinen Mann gefunden, der mit meinen sexuellen Gelüsten mithalten kann«, erwiderte ich mit zuckersüßem Lächeln.
»Oh.« Sie hastete zurück ins Haus.
Ich begrüßte den Rest der Familie und die Bemerkungen und Witze wurden nur noch schlimmer. Schließlich flüchtete ich mich ins Badezimmer, um vor dem Essen noch ein paar Minuten Ruhe zu haben.
»Emma, würdest du dich bitte an den Kopf des Kindertisches setzen und alles im Auge behalten?«, fragte Mutter. »Am Tisch mit den Erwachsenen haben wir nur eine gerade Anzahl an Stühlen und es macht ja keinen Sinn, dass wir eines der Paare trennen. Wo du doch alleine hier bist.«
Das war also meine Strafe dafür, dass ich ihr gesagt hatte, sie müsse sich damit abfinden. »Kein Problem, Mutter. Das mache ich doch gerne.« Ich würde schnell aufessen und mich dann früher als ursprünglich geplant auf den Weg zu den Davisens machen.
Wir nahmen unsere Plätze an den Tischen ein und Dad sprach den Segen. Alle häuften sich Truthahn, Süßkartoffeln und die anderen Leckereien auf die Teller und begannen zu essen. Die Unterhaltung bei Tisch drehte sich offenkundig um mich und meine»Starrköpfigkeit«, wie Mutter es nannte. Sie hielten es offenbar nur für eine schmerzliche Phase.
Als der Nachtisch serviert wurde, stand Teddy auf und klopfte mit einem Löffel an sein Wasserglas. »Dürfte ich um eure Aufmerksamkeit bitten? Anne und ich möchten euch etwas sagen.« Anne stand stolz neben ihm und ich wusste genau, was nun kam. »Ein neuer kleiner Bailey wird sich nächstes Jahr im Juni zu uns gesellen!«
Mutter und Dad sprangen auf und umarmten das strahlende Paar und alle gratulierten laut.
»Scheint so, als hätte dein kleiner Bruder dich wieder mal überholt, Emma«, übertönte Onkel Richards Stimme den Lärm. Ich hatte den Bruchteil einer Sekunde Zeit, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, bevor sich alle zu mir umdrehten.
»Ja, hat er, Onkel Richard. Ich hatte immer vermutet, dass es so kommen würde.«
Schließlich wandten sich alle wieder ihrem Nachtisch zu, nur meiner lag unangetastet auf meinem Teller. Ich war neidisch auf meinen Bruder und meine Freundin und dafür hasste ich mich. Ich verabschiedete mich, als alle vom Tisch aufstanden.
»Aber du bist doch erst seit ein paar Stunden hier«, wandte Mutter ein.
»Ja, aber ich bin auch bei Mr. und Mrs. Davis eingeladen und ich brauche zwei Stunden, bis ich dort bin. Ich möchte noch vor Einbruch der Dunkelheit ankommen.«
»Gut«, sagte sie und trug einen Stapel Teller in die Küche.
Ich holte meine Handtasche aus einem der Schlafzimmer. Anne kam hinter mir her. »Emma, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Mir geht’s gut. Warum fragst du?«
»Ich weiß, dass heute alle auf dir herumhacken, und ich hatte das Gefühl, dass du sehr still geworden bist, nachdem wir unsere Neuigkeit verkündet haben. Ich dachte, du wärst vielleicht traurig.«
Ich umarmte sie. »Ich bin nur müde. Ich freue mich für euch, Anne. Ehrlich. Schließlich werde ich Tante.«
Sie drückte mich. »Fahr vorsichtig.«
»Mach ich.« Wahrscheinlich wachte ein Schutzengel über mich, denn ich schaffte es, ohne weitere schlüpfrige Bemerkungen von Onkel Richard aus dem Haus zu kommen.
Nachdem ich mir zu Hause meine Tasche geschnappt und Michelangelo ins Auto geladen hatte, fuhr ich los und kam um fünf Uhr bei den Davisens an. An der Tür wurde ich mit einer stürmischen Umarmung von Mr. Davis begrüßt, der mich gleich ins Wohnzimmer schickte, während er sich um meine Tasche und um Michelangelo kümmerte.
Brians Brüder, Andrew und Peter, standen auf, als ich das Zimmer betrat. »Da ist ja unsere Adoptivschwester!« Andrew nahm mich ebenso ungestüm in die Arme wie sein Vater.
»Hallo Andrew.« Ich wandte mich zu Peter und umarmte ihn. »Wie geht’s, Petey?«
»Schätzchen, es könnte nicht besser sein, und du bist hübscher denn je.« Er beugte sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr: »Wann nimmt mein kleiner Bruder endlich Vernunft an und heiratet dich?«
Ich blinzelte die Tränen weg,
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