Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition)
er an Michelangelo haften. Er ging zu ihm und kraulte ihn hinter den Ohren. »Hatte einfach viel zu tun. Wie war deine Woche?«
»Wie immer.«
»Hier, ich hab etwas, was dich heute Abend aufheitern wird. Ich hab einen Cary-Grant-Film gefunden, der uns bestimmt beiden gefällt.« Er streckte mir die DVD entgegen. »
Der unsichtbare Dritte
.«
»Was bringt dich auf den Gedanken, dass ich aufgeheitert werden muss? Und willst du damit sagen, dass dir die anderen Cary-Grant-Filme keinen Spaß gemacht haben, die wir früher zusammen geguckt haben?« Ich war verärgert. »Fühl dich bloß nicht verpflichtet, mir zuliebe Filme anzugucken, die dir nicht gefallen, Brian. Ich bin kein heulendes Kleinkind, das einen Schnuller braucht.«
»Nun, die meiste Zeit schien es zu funktionieren«, gab er zurück.
Das war es also, was er von mir dachte. Schmerz schnitt mir ins Herz, als ich zur Tür ging und sie öffnete. »Ich fürchte, ich habe heute Abend keine Zeit für Cary oder dich.« Ich ging zu meiner Yogamatte zurück. »Bitte mach die Tür zu, wenn du gehst.«
Ich fing mit meiner Pilates-Übung an und er stapfte wütend zur Tür. Auf halbem Wege blieb er stehen und drehte sich um, als wollte er noch etwas sagen, doch ich schloss die Augen und machtemit meiner Übung weiter, bis ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann sank ich zu Boden und versuchte zu begreifen, was da gerade passiert war.
Er hatte die ganze Woche nicht mit mir geredet, und trotzdem war er heute Abend hergekommen – in der Erwartung, dass ich wegen irgendetwas deprimiert war und aufgeheitert werden musste. Dachte er, dass mein Leben derart vorhersehbar und schrecklich war? Darauf gab es nur eine Antwort. Ich tat ihm leid.
Eigentlich war mir dringend nach einer Riesenportion Schokoladeneis zumute, aber das wurde allmählich zu einer ziemlich schlechten Angewohnheit. Stattdessen machte ich eine Stunde lang meine Übungen und nahm dann ein langes heißes Bad, bevor ich zu Bett ging.
Stunden später, als ich es leid war, mich schlaflos hin und her zu wälzen, fuhr ich in den Buchladen. Wenn ich schon nicht schlafen konnte, konnte ich wenigstens arbeiten. Ich nahm alle Bücher aus den Regalen und wischte sie aus. Dann staubte ich die Bücher ab und sortierte sie neu. Ich schob gerade das letzte Buch an seinen neuen Platz, als Kathy zur Tür hereinkam.
»Wow!«, rief sie. »Hier funkelt’s ja richtig. Wie lange bist du schon hier?«
»Eine ganze Weile.« Ich pustete mir eine Locke aus dem Gesicht.
Sie sah mich genauer an. »Du bist die ganze Nacht über hier gewesen, stimmt’s?«
Ich zuckte die Schultern und ging zur Theke im vorderen Teil des Ladens. »So ungefähr.«
»Was ist passiert, Emma?«
Ich berichtete ihr von Brians Bemerkungen und polierte dabei die Ladentheke. »Ich bin mir sicher, dass er es nicht so gemeint hat«, sagte Kathy, als ich ihr alles erzählt hatte. »Wahrscheinlich hat Delilah ihn irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt.«
»Tja, jedenfalls wird er nie wieder Gelegenheit haben, solche Sachen über mich zu sagen. Ich lasse das alles hinter mir.«
»Was meinst du?«
Ich spürte, wie sich etwas in mir verhärtete, als ich antwortete: »Ich bin fertig mit ihnen, mit allen Männern. Sie sind es einfach nicht wert.«
Kathy sah beunruhigt aus. »Schätzchen, du bist verletzt. Du solltest keine drastischen Entscheidungen treffen, wenn du so aufgelöst bist.«
»Das ist keine drastische Entscheidung. Es gibt keinen Grund, warum ich mein Leben mit Trübsalblasen zubringen sollte. Ich werd’s ihm zeigen.«
»Irgendwas muss mit Brian los gewesen sein. Er hätte so etwas nie gesagt, wenn er ganz er selbst gewesen wäre, das glaube ich bestimmt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch weiß, wer der richtige Brian ist.«
Die folgenden zwei Wochen waren schrecklich. Ich sah Brian kaum und versuchte auch nicht, mit ihm zu reden. Ich nahm an, dass seine Freundin ihn auf Trab hielt. Er hatte Delilah an den vergangenen beiden Sonntagen mit zum Gottesdienst gebracht und ich war honigsüß zu ihr gewesen. In dieser Hinsicht konnte sich Brian über mein Verhalten wirklich nicht beklagen.
Zu allem Überfluss stand Thanksgiving bevor, am Donnerstag würde es soweit sein. Das bedeutete, Stunde um Stunde in der Gesellschaft meiner Familie zu verbringen, die nicht müde werden würde, grottige Witze über mein Dasein als Single zu reißen. Am Dienstag erschien ich äußerst übellaunig zur
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